Parlamentswahl im Kosovo: Zweite Chance für den Neuanfang
Für die Wahl haben sich die Reformer Vjosa Osmani und Albin Kurti erneut zusammengeschlossen. Sie kämpfen für die Abkehr von den alten Eliten.
Doch an diesem Punkt standen die beiden schon einmal. Bei den Wahlen im Oktober 2019 gelang dem 46-jährigen Kurti mit seiner Oppositionspartei mit 26 Prozent der Stimmen ein Durchbruch. Da die mit 25 Prozent nur knapp auf den zweiten Platz gedrängte Demokratische Liga Kosova (LDK) unter der damaligen Führung der ebenfalls als Reformpolitikerin profilierten 38-jährigen Osmani beschloss, mit Kurti zu koalieren, schien schon damals der Weg für eine Reformregierung geebnet.
Doch die Regierung zerbrach nach wenigen Wochen an dem Widerstand der Altherrenriege der LDK. Vjosa Osmani wurde aus der Partei geekelt. Der neue Repräsentant Avdullah Hoti bildete mit mehreren kleineren Parteien eine neue Regierung, die von der bislang führenden und von Hashim Thaçi gegründeten Partei PDK (Demokratische Partei Kosova) geduldetet und am 3. Juni 2020 im 120-köpfigen Parlament mit 61 Stimmen gewählt wurde. Die alten Eliten hatten vorerst gesiegt.
Doch Kurti klagte vor dem Verfassungsgericht. Das erklärte am 21. Dezember 2020 die Regierung Hoti für illegal, weil einer der Abgeordneten wegen Korruption zu 15 Monaten Haft verurteilt worden war und damit die Regierung ihre Mehrheit im Parlament verloren hatte. Nach dem Rücktritt Thaçis übernahm Parlamentspräsidentin Osmani geschäftsführend die Position der Präsidentin. Sie schrieb, wie es die Verfassung verlangt, nach dem Urteil des Verfassungsgerichts Neuwahlen aus.
Gute Chemie zwischen Osmani und Kurti
Dieses Gericht blieb weiter unparteiisch und entschied, dass Kurti bei der anstehenden Parlamentswahl nicht selbst antreten dürfe, weil er vor fast drei Jahren wegen einer Protestaktion im Parlament verurteilt worden war. Ein von einem Gericht Verurteilter müsse drei Jahre warten, um wieder bei den Wahlen antreten zu können.
So wurde kurzerhand Osmani Spitzenkandidatin von Vetëvendosje. Beide wollen nun gemeinsam die von ihnen im letzten Jahr vereinbarte Reformpolitik fortsetzen. „Die Chemie zwischen beiden stimmt“, erklärte ein kosovarischer Diplomat der taz.
Fast alle Wahlbeobachter gehen davon aus, dass Kurti und Osmani einen eindeutigen Sieg erringen dürften. War Vetëvendosje noch bei den letzten Wahlen lediglich Favorit für die junge Generation, die den korrupten Altparteien die roten Karte zeigen wollte, sind inzwischen auch viele Ältere, die in bitterer Armut lebenden Rentner, die bürgerlichen Stadtbewohner und viele Arbeiter zu Sympathisanten geworden.
Dagegen steht die ungeheure Medienkampagne gegen Kurti und Osmani, stellt die bekannte Publizistin Evliana Berani fest. Das fest in der Hand der Altparteien liegende staatliche Fernsehen, die meiste privaten Kanäle und viele Zeitungen würden aus allen Rohren auf Kurti und Osmani schießen. Kurti werde wahlweise als Kommunist oder Islamist diffamiert, Osmani als Abtrünnige angegriffen.
Große Herausforderungen
Die voraussichtlichen Wahlsieger stehen vor riesigen Aufgaben. Die Pandemie hat das kaum zwei Millionen Einwohner zählende Land hart getroffen, das ohnehin marode Gesundheitssystem ist heillos überfordert. Die Wirtschaft kommt nicht auf die Beine, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent. Der andauernde Streit mit Serbien und die hart geführten Konflikte zwischen den politischen Parteien zermürben die Menschen.
Zumindest scheinen die politischen Institutionen zu funktionieren, das Verfassungsgericht beweist seine Unabhängigkeit. Selbst nach dem Rücktritt des langjährigen Präsidenten Hashim Thaçi am 4. November 2020 und dem Sturz von zwei Regierungen allein im letzten Jahr ist kein Chaos entstanden. Die Urteile des Gerichts werden respektiert.
Erringt die Vetëvendosje am Sonntag keine absolute Mehrheit im Parlament, dürfte die Suche nach Koalitionspartnern schwierig werden. Klar ist, dass Kurti nach den Wahlen am Sonntag auch ohne Parlamentsmandat den Posten des Ministerpräsidenten anstrebt. Osmani hat Chancen, Präsidentin des Landes zu werden.
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