Parlamentarische Kontrolle: Heimkosten doch nicht geheim
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit rügt den Senat, weil der Auskünfte zu Haasenburg und Zirkusprojekten verweigert hat. Auch die Diakonie fordert Transparenz.
Der Hamburger Senat muss zwei Anfragen der Grünen Christiane Blömeke zur Unterbringung von Kindern im Heim Haasenburg und bei Zirkusprojekten neu beantworten. Das fordert Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit in einem Brief an Bürgermeister Olaf Scholz (beide SPD). Veits Juristen haben bei einer Überprüfung grobe Verstöße gegen die in der Verfassung verankerte Pflicht zur Auskunft festgestellt.
Dass der Senat mit Auskünften geizt, ist nicht neu. Aber es war ein Novum, als er im Dezember der Grünen-Politikerin Blömeke die Informationen über Personalschlüssel und die monatlichen Kosten der geschlossenen Haasenburg verweigerte. Diese unterlägen als „Geschäftsgeheimnisse“ dem Sozialdatenschutz. Auch die monatlichen Kosten für Jugendliche in Zirkusprojekten sollten geheim sein. Diese neue Regelung sollte künftig für alle Träger gelten.
Kurios an der Begründung war, dass der Senat sich auf zwei Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes bezog, die andere Gesetze betrafen und das Gegenteil besagten. In einem Fall ging es um die Kaffeeproduktion, in dem anderen um Zoll-Subventionen. Beide Male entschieden die Richter für die Freigabe der Informationen. Bis dato hatte der Senat solche Fragen beantwortet. So war bekannt, dass die Betreuung des elfjährigen Jeremie bei einem Zirkusprojekt mehr als 7.000 Euro im Monat kostete und ein Monat in der Haasenburg pro Kind fast das Doppelte.
Der Senat ist verpflichtet, Abgeordneten so viel Auskunft wie möglich zu erteilen. Das hat das Bundesverfassungsgericht 2010 auf Klage des SPD-Abgeordneten Mathias Petersen entschieden.
Die Auskunft darf nicht formelhaft verweigert werden. Die Begründung muss einen Einzelfallbezug haben und überprüfbare Tatsachen benennen.
In der Legislatur von 2008 bis 2011 wurde bei 17 Senatsantworten von Bürgerschaftsjuristen teilweiser Verstoß oder Verstoß festgestellt. In der laufenden Legislatur betraf das schon 32 Antworten.
Doch Anfang Dezember hatte der Anwalt Christian Bernzen, der sowohl den Zirkusprojekt-Träger Neukirchner Erziehungsverein (NEV) als auch die Haasenburg vertritt, schriftlich bei der Senatskanzlei interveniert. Danach enthielten mehrere Antworten einen formelhaften Verweis. Angaben über Kosten oder Personalschlüssel ließen „Rückschlüsse“ auf Umsatzzahlen und Kostenstrukturen zu und könnten die Wettbewerbsposition eines Trägers „nachteilig“ beeinflussen.
„Das Parlament muss eine Regierung kontrollieren und braucht dafür ein Mindestmaß an Daten und Fakten“, sagt Blömeke. Sie wandte sich an Veit, sie möge beim Senat auf eine „vollständige Beantwortung“ drängen. Veit lies die Sache prüfen und vier der fünf Antworten, die die Grünen beanstandeten, muss der Senat jetzt nachbessern. Andersfalls kann die Abgeordnete vor Gericht gehen.
Ihre Juristen hätten eine „summarische Internet- und Presserecherche“ durchgeführt, schreibt nun Veit an Olaf Scholz. Demnach lasse eine Teilauskunft über die Unterbringungskosten Hamburger Kinder weder bei der Haasenburg GmbH noch beim NEV „Rückschlüsse auf Umsatzzahlen“ zu, weil das Angebot der Träger viel größer sei.
Das Argument „Geschäftsgeheimnis“ hört man im Kontext der Haasenburg öfter. So erhielt auch der Linkspartei-Vorsitzende Bela Rogalla, der alle die Haasenburg betreffenden Unterlagen verlangt hatte, nur spärliche Antworten mit teilweise geschwärzten Zahlen. Er will sich jetzt an den Datenschutzbeauftragten wenden, weil er mehr Informationen möchte.
Beim Diakonischen Werk, dem als Dachverband auch der NEV angehört, stößt die neue Senatslinie auf Verwunderung. „Personalstandards und Entgelte sollten keine Geschäftsgeheimnisse sein“, sagt Fachreferent Martin Apitzsch. „Wir haben großes Interesse, dass dies transparent gemacht wird.“ Nötig sei der Sozialdatenschutz für einzelne Mitarbeiter und Kinder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!