piwik no script img

Parlamentarier fürchten Räumung

■ 60 Abgeordnete in Weißrußland proben den Aufstand gegen Staatspräsident Lukaschenko und bilden ein Bündnis

Minsk (AP/AFP) – Der Machtkampf in Weißrußland geht weiter. Nach der Spaltung des weißrussischen Parlaments tagten die Opposition und die präsidententreue Mehrheit der Volksvertretung gestern erneut in verschiedenen Gebäuden in Minsk. Die rund 60 verbliebenen Oppositionsabgeordneten erklärten sich zur einzig legitimen Volksvertretung und beschlossen, ihren Widerstand gegen Staatspräsident Alexander Lukaschenko fortzusetzen.

Einige von ihnen äußerten die Befürchtung, daß Lukaschenko sie gewaltsam aus dem Parlamentsgebäude entfernen lassen werde. „Ich glaube, das ist der letzte Tag im Parlamentsgebäude. Vielleicht werden wir heute oder morgen gewaltsam rausgeworfen“, sagte ein Abgeordneter. Der zur Oppositionsgruppe gehörende Parlamentspräsident Semjon Scharezki sagte gestern, er sei davon unterrichtet worden, daß sein Telefon abgestellt werde.

Unterdessen beschloß das Verfassungsgericht, das Verfahren auf Amtsenthebung gegen Lukaschenko einzustellen. Zuvor hatten über ein Dutzend Parlamentarier ihre Unterschrift unter einen entsprechenden Antrag zurückgezogen. Dadurch fehlen der Vorlage die für ihre Inkraftsetzung benötigten 70 Parlamentsstimmen.

Allerdings stellte das Gericht erneut klar, daß das Referendum zur Ausweitung der Macht des Staatschefs nur konsultativen Charakter hatte. Der Gerichtspräsident habe einen entsprechenden Brief an Lukaschenko geschrieben, teilte Gerichtssprecher Oleg Maschalow mit. Das Referendum habe keine Gesetzeskraft. Das Gegenparlament beschloß gestern, daß das Referendum gültig sei.

Bereits am Dienstag hatten sich 20 oppositionelle Parteien und Gruppierungen zu einem neuen Bündnis zusammengeschlossen. Die Organisatoren des Kongresses zur Verteidigung der Demokratie beschuldigten Lukaschenko, das Ergebnis des Referendums manipuliert zu haben. „Bürger! In diesem Land hat ein Putsch gegen die Verfassung stattgefunden“, heißt es in dem Aufruf des Bündnisses. „Präsident Lukaschenko hat eine Diktatur errichtet.“

Der Delegationschef einer Beobachterdelegation des Europarats, Tadeusz Iwinski, sagte, das Referendum könne nicht demokratisch genannt werden. Die Art und Weise, in der die Abstimmung durchgeführt worden sei, widerspreche allen demokratischen Standards und gefährde die demokratische Entwicklung in Weißrußland.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen