Parlament sagt Nein zum Syrieneinsatz: Briten dürfen nicht in den Krieg
Großbritanniens Parlament lehnt die Beteiligung an einem Militärschlag ab. Auch die eigenen Leute fallen Premier Cameron in den Rücken. Er ist schockiert.
DUBLIN taz | Wenn es um einen Militärschlag gegen Syrien geht, müssen die USA ohne ihre britischen Verbündeten in den Krieg ziehen. Das Londoner Unterhaus stimmte in der Nacht zu Freitag überraschend dagegen. Der sichtlich schockierte Premierminister David Cameron versicherte nach der Abstimmung, dass er auf sein Vorrecht verzichten und das Votum des Parlaments respektieren werde. „Es ist mir klar, dass das britische Parlament, das die Meinung des britischen Volks widerspiegelt, keinen britischen Militäreinsatz wünscht“, sagte er. „Ich habe das verstanden, und die Regierung wird entsprechend handeln.“
Cameron verlor das Votum sehr knapp, mit 285 zu 272 Stimmen. 30 seiner eigenen Konservativen und rund 20 Abgeordnete des liberalen Koalitionspartners stimmten gegen ihn, gemeinsam mit der Opposition. Zwei Kabinettsmitglieder, unter anderen Entwicklungsministerin Justine Greening, waren gar nicht erst zur Abstimmung erschienen, weil sie angeblich die Glocke nicht gehört hatten. Der erregte Bildungsminister Michael Gove rief den Tory-Rebellen zu: „Schande!“ Seine Frau Sarah Vine twitterte: „Armselige Verlierer, die nicht über ihren eigenen Tellerrand schauen können.“
Der frühere Chef der Liberalen, Menzies Campbell, sagte, er könne sich an keine vergleichbare Niederlage einer Regierung bei einem solch bedeutenden außenpolitischen Thema erinnern. Das letzte Mal, dass das britische Parlament einen von der Regierung gewünschten Kriegseinsatz niederstimmte, war im 18. Jahrhundert – gegen die USA.
Mit der TV-Debatte am Sonntag beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Ulrich Schulte und Anja Maier stellen ein Paar vor, das ungleicher nicht sein könnte. Den Kandidaten-Check lesen Sie in der taz.am wochenende vom 31. August/1. September 2013 . Darin außerdem: Was ist konservativ? Auf der Suche nach einer politischen Strömung, die zum Rinnsal geworden ist. Und: Soll man anonyme Kommentare im Netz verbieten? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Verteidigungsminister Philip Hammond befürchtete am Freitag, das Votum werde die „besondere Beziehung“ zwischen den USA und Großbritannien belasten. „Aber die Amerikaner verstehen den parlamentarischen Prozess, den wir durchlaufen müssen“, fügte er hinzu.
Debatte, ob Großbritannien weiter wichtige Rolle spielt
Finanzminister George Osborne sagte, das Votum werde eine Debatte auslösen, ob Großbritannien weiterhin eine wichtige internationale Rolle spielen oder lediglich Zuschauer sein wolle. Cameron hatte zu Beginn der Debatte eine Einschätzung des Generalstaatsanwalts Dominic Grieve verlesen, der einen Militäreinsatz auch ohne UN-Beschluss „unter der Doktrin der humanitären Intervention“ für legal hält. Außerdem legte der Premierminister ein Dokument des Geheimdienstes vor, worin es hieß, das Assad-Regime stecke „höchstwahrscheinlich“ hinter dem Giftgasangriff von voriger Woche.
Cameron vermied dafür das Wort „Dossier“, wohl weil es einen schlechten Beigeschmack hat, seit der damalige Premier Tony Blair dem Parlament vor zehn Jahren ein „Dossier“ des Geheimdiensts über Massenvernichtungswaffen im Irak vorlegte, das sich später als teilweise gefälscht herausstellte. Viele Abgeordnete führten das jetzt auch als Grund für ihre Ablehnung des Militäreinsatzes gegen Syrien an. Man wolle sich nicht ein zweites Mal hinters Licht führen lassen, sagte eine Abgeordnete.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los