Pariser Autosalon beginnt: Der Motor ruckelt in der Krise
Dem westeuropäischen Automarkt geht es schlecht. Die Konzerne kämpfen mit Milliardenverlusten und Werkschließungen.
PARIS dpa | Die Autobauer stehen vor schweren Zeiten. Die Talfahrt des Automarktes in Westeuropa belastet die Hersteller zunehmend. „Wir fahren auf Sicht“, sagte VW-Vertriebsvorstand Christian Klingler am Donnerstag auf der Pariser Automesse. Diese Aussage erinnert an die letzte schwere Branchenkrise 2008/2009.
Dabei steht der VW-Konzern angesichts seiner breiten weltweiten Aufstellung noch gut da. Dagegen stecken Hersteller wie PSA Peugeot Citroën, Opel und Fiat in einer tiefen Krise, weil sie abhängig von der Entwicklung in Europa sind. Der angeschlagene französische Autobauer PSA etwa rechnet wegen der Absatzkrise in Europa mit weiteren Verlusten in Milliardenhöhe. Das Unternehmen werde vermutlich bis 2014 monatlich einen dreistelligen Millionenbetrag an Cash verbrennen, sagte Konzernchef Philippe Varin in Paris.
Das Minus werde sich 2013 allerdings von bislang 200 Millionen Euro monatlich auf rund 100 Millionen Euro monatlich halbieren. PSA will rund 8000 Arbeitsplätze abbauen und ein Werk komplett dicht machen. Wegen der Überkapazitäten in Europa erwartet Varin aber auch Standortschließungen bei anderen Konzernen.
Die Durststrecke in Europa wird laut Prognosen anhalten. Experte Ferdinand Dudenhöffer erwartet, dass 2013 noch härter wird als dieses Jahr. Er rechnet mit dem schlechtesten Verkaufsjahr in Westeuropa seit 1993 – mit 11,6 Millionen Auto-Verkäufen nach 11,9 Millionen in diesem Jahr. Experte Marcus Berret von der Unternehmensberatung Roland Berger sieht auch Fehler bei den Herstellern. Manche Autobauer hätten sich „falsch aufgestellt“.
Keine Besserung erwartet
Aus Sicht des europäischen Branchenführers Volkswagen wird sich der europäische Automarkt nur langsam erholen. „Wir erwarten in den nächsten ein bis zwei Jahren keine fundamentale Verbesserung“, sagte Vertriebsvorstand Klingler. Stattdessen stelle sich der Konzern auch auf negative Überraschungen ein. Allerdings kommen die Wolfsburger besser durch die Krise als die Konkurrenz.
Weltweit baue der Konzern seine Marktanteile aus. Auch die Auftragseingänge beim neuen Golf böten genug Grund für Optimismus. Den chinesischen Markt sieht Klingler insgesamt positiv, wenn auch die Wettbewerbssituation angespannter werde. Die schlechteren Entwicklungen in China sowie Europa hatte auch Daimler als Grund für ein Sparprogramm genannt.
Die Stuttgarter hatten in der vergangenen Woche für Aufsehen gesorgt. Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte angekündigt, dass der operative Gewinn der Autosparte 2012 unter dem Vorjahresniveau von rund 5,2 Milliarden Euro liegen werde und Sparmaßnahmen angekündigt.
Dabei wolle Daimler keinen Teil des Unternehmens ausnehmen, kündigte Zetsche in Paris an. Details seien aber noch nicht ausgearbeitet. Laut Presseberichten sollen unter Berufung auf Konzernkreise aber mehr als eine Milliarde Euro eingespart werden. Im Gegensatz zu Daimler läuft es bei den anderen deutschen Oberklasse-Herstellern BMW und Audi noch rund. BMW sieht anders als Daimler keinen Grund, auf die Kostenbremse zu treten.
BMW ist voll „ausgelastet“
„Wir haben in diesem Jahr Mitarbeiter eingestellt und alle unsere Werke weltweit sind voll ausgelastet“, sagte BMW-Vertriebsvorstand Ian Robertson. Der Konzern halte an allen Investitionsvorhaben fest, übernehme weltweit Tausende Auszubildende und sei in abschließenden Gesprächen mit den Sozialpartnern zur Übernahme von Leiharbeitern.
Auch Audi bleibt im Aufwind. Audi-Chef Rupert Stadler bestätigte in Paris die Prognosen, in diesem Jahr 1,4 Millionen Autos zu verkaufen. Zwar stecke Westeuropa aktuell in einer schwierige Phase, sagte Stadler: „Ich glaube, dass wir dort bei den Gesamtmärkten schon mit einem Rückgang von 5 bis 10 Prozent zu rechnen haben.“ Allerdings konzentrierten sich die Probleme auf wenige europäische Kernmärkte. Hingegen wachse Osteuropa.
Hoffnungen setzen die Autobauer in eine Vielzahl neuer Modelle. Auf dem Autosalon werden etwa der neue VW Golf, der Renault Clio oder der Opel Adam präsentiert. Ford stellt den neuen Mondeo vor, Citroën ein DS3 Cabrio und Toyota einen Auris Kombi. Der alle zwei Jahre stattfindende Autosalon in Paris gilt als eine der besucherstärksten Messen der Welt.
Die diesjährige Schau ist bis Freitagabend zunächst nur für Fachbesucher geöffnet. Von Samstag an bis zum 14. Oktober steht die Messe dann allen Auto-Interessierten offen. Insgesamt werden 270 Aussteller aus rund 20 Ländern erwartet.
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