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Paris setzt im Tschad auf Zermürbungseffekt

■ Der französische Luftangriff im Nord–Tschad wird allgemein als „Minimalreaktion“ gewertet / Frankreich ist an Eskalation des Konflikts mit Libyen nicht interessiert / Tschadische Regierung und frankophones Afrika reagieren enttäuscht auf vorsichtige Pariser Reaktion

Aus Abidjan Knut Pedersen

Der seit Sonntag erwartete französische Vergeltungsschlag für libyische Bombenangriffe südlich des 16. Breitengrades am Mittwoch nachmittag hat nach Angaben des französischen Verteidigungsministeriums die Radaranlagen des libyschen Luftstützpunkts Ouadi– Doum zerstört. Die Ende 1983 auf über vier km verlängerte Flugpiste von Ouadi–Doum, die sich in den von Libyen kontrollierten tschadischen Norden etwa in gleicher Entfernung von den beiden wichtigsten Oasen Faya–Largeau und Fada befindet, war bereits am 16. Februar letzten Jahres von der französischen Luftwaffe bombardiert und teilweise zerstört worden. Ein libysches Tupolev–Flugzeug hatte damals im Gegenzug den Flughafen der tschadischen Hauptstadt NDjamena bombar diert, und nach Angaben der tschadischen Regierung soll die libysche Luftwaffe am Donnerstag das ebenfalls südlich des 16. Breitengrades gelegene Kouba– Oulanga angegriffen haben - was ein offizielles Kommunique der libyschen Regierung inzwischen allerdings formell dementiert hat. Nach langem Zögern hat sich die französische Regierung nun zu einer „Minimalreaktion“ entschließen können. Die „chirurgische Operation“ gegen die Radaranlagen von Ouadi–Doum ist in der Tat eher von symbolischer denn militärischer Bedeutung. Angesichts des erheblichen Erwartungsdrucks sowohl in Frankreich selbst - die Zeitung „Le Monde“ hat die Libyschen Bombenangriffe vom vergangenen Sonntag als „Schlag ins Gesicht“ Frankreichs bezeichnet - als auch im frankcophonen Afrika, ist die Reaktion aus Paris bemerkenswert vorsichtig ausgefallen, was in NDjamena erwartungsgemäß mit Enttäuschung und kaum verhüllter Bitterkeit aufgenommen wurde. Hissein Habre glaubte nach der Verletzung des von Frankreich garantierten 16. Breitengrades auf ein wirklich militärisches Engagement seines Verbündeten rechnen zu können. Ein Umstand, der die Entscheidung der französischen Regierung vielleicht bereits zum Teil erklärt. Pa ris kann kein Interesse daran haben, fortan für alle afrikanischen Verbündeten zum erpressbaren „Großen Bruder“ zu werden. Vor allem jedoch ist Paris an einer bilateralen Eskalation mit Tripolis schon darum nicht interessiert, als die blindwütige Logik eines bedeutsameren Gegenschlages Ghaddafi erlauben könnte, das Debakel seines Expeditionskorps im Tschad zum „anti–imperialistischen Krieg“ aufzubauen. Bleibt dagegen Frankreich weiterhin im Hintergrund, so wird Libyen - unter anderem im Rahmen der „Organisation für afrikanische Einheit“ - zu erklären haben, mit welcher Rechtfertigung es einen Konflikt verlängert, der heute die Züge eines nationen Befreiungskampfes trägt. Frankreich, das offensichtlich aus seinen eigenen Erfahrungen der Vergangenheit lernt, setzt heute auf den Zermürbungseffekt.

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