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Paragraf zur MajestätsbeleidigungNRW will Böhmermann retten

Die Landesregierung plant, den umstrittenen Paragrafen rasch abzuschaffen. Damit könnte der TV-Satiriker einer möglichen Bestrafung entgehen.

Wird er gerettet? Foto: ap

Düsseldorf dpa | Die nordrhein-westfälische Landesregierung will den sogenannten Majestätsbeleidigung-Paragrafen noch vor der Sommerpause kippen und dem Satiriker Jan Böhmermann so eine mögliche Bestrafung wegen dieser Vorschrift ersparen. „Ich will eine Bundesratsinitiative einbringen, die das Ziel hat, den Straftatbestand der Majestätsbeleidigung sofort abzuschaffen. Dann könnte man Herrn Böhmermann auch nicht mehr deswegen verurteilen“, sagte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) der Rheinischen Post.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die deutsche Justiz ermächtigt, gegen den Satiriker Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zu ermitteln.

Den betreffenden Paragrafen 103 des Strafgesetzbuchs, der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellt, will die große Koalition noch in dieser Legislaturperiode streichen. Die Gesetzesänderung soll nach Angaben Merkels aber erst 2018 in Kraft treten.

Böhmermann hatte Ende März in seiner satirischen TV-Show „Neo Magazin Royale“ (ZDF) ein Gedicht vorgetragen, in dem er Erdogan mit drastischen Worten angriff. Unabhängig von Ermittlungen nach Paragraf 103 StGB bearbeitet die zuständige Staatsanwaltschaft Mainz einen Strafantrag Erdogans wegen Beleidigung, den er als Privatmann einreichte.

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7 Kommentare

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  • "Dann könnte man Herrn Böhmermann auch nicht mehr deswegen verurteilen“, sagte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) der Rheinischen Post."

     

    Man darf ja nicht sagen, dass Kutschaty ein bescheuerter Volltrottel ist.

     

    Ein Gesetz ändern, damit Böhmermann statt nach §103 nur nach §185 bestraft wird? 1000€ Geldstrafe weniger für Böhmermann?

     

    Niemand kann sagen ob eine Beleidigung tatsächlich vorliegt, weil die Entscheidungsfindung des letztinstanzlichen Gerichts nicht vorhersehbar ist. Wenn es eine Beleidigung ist, dann ist es doch völlig egal ob Böhmermann 5000 oder 10000€ Strafe zahlen muss. Deswegen ändert man doch kein Gesetz. Die Intention von 103 ist der Schutz der Beziehungen der B-Republik zu ausländischen Staat.

     

    Auf ein gutes Verhältnis zur Türkei scheinen Politiker inzwischen keinerlei Wert mehr zu legen. Es wird offen ausgedrückt, dass Staatsoberhaupt Erdogan keinen Schutz vor Beleidigungen als Kümmeltürke oder ähnliches mehr genießen soll. Gehts noch?

  • Der größte Teil des StGB stammt aus der Kaiserzeit, teils auch aus der Nazizeit.

    Wer nun den § 103 abschafft, müsste auch den § 104 (Verletzung von Flaggen und Hoheitszeichen) und § 90 (Verunglmpfung der Bundespräsidenten) und noch einige mehr aus dem StGB streichen.

    Ansonsten macht man genau das, was man Erdogan vorwirft - Willkür!

  • Thomas Kutschaty weiß doch noch schnellere Wege, den Böhmermann rauszuhauen. Er könnte auch den Richter unter Druck setzen, siehe J.R. von Renesse. http://www.taz.de/NRW-Justizminister-verklagt-Richter/!5293060/

  • Seltsame Rechtsauffassung! Da soll ein Gesetz geändert werden um einen drittklassigen Comedian zu schützen? Wenn §103 nicht mehr zeitgemäß ist ( wann war er das?), dann gehört er gestrichen, unabhängig von irgendwelchen laufenden Verfahren. Die Strafverfolgung nach §185 bleibt davon unbenommen. Die Festlegung auf 2018 als Termin der Abschaffung, ist wohl tatsächlich ein Kotau vor dem Kalifen von Ankara.

  • Wobei das 2 verschiedene Antröge sind. den Strafantrag den Erdogan als Privatman eingereicht hat ist, der normale Strafstandparagraph wegen Beleidigung. Das Ding wird also weiterlaufen egal ob die "Majestätsbeleidigung" abgeschafft wird oder nicht.

    • @Sascha:

      Steht nicht genau das im Artikel?

       

      Man beachte allerdings den Strafrahmen. Die Anzeige als Privatmann erfolgt nach § 185 StGB, im Falle einer Verurteilung liegt das Höchststrafmaß bei zwei Jahren Freiheitsentzug oder einer entsprechenden Geldstrafe.

       

      Die Anzeige nach § 103 StGB ("Majestätsbeleidigung") könnte Böhmermann bei einer Verurteilung mit bis zu drei Jahren Haft oder Geldstrafe, im Falle der "verleumderischen Beleidigung" sogar mit nicht unter drei Monaten und bis zu fünf Jahren Haft belegt werden.

       

      Es geht hier bei der Initiative der Landesregierung daher wohl zunächst mal um die Begrenzung des maximalen Strafrahmens. Denn vor dem Gesetz sollten "Staatsmänner" generell keine Vorzugsbehandlung oder Sonderrechte erhalten. Auch nicht als vermutliche Opfer einer Straftat.