Papoulias attackiert Schäuble: "Ich akzeptiere es als Grieche nicht"
Der Ton in Athen wird rauer. Auch herrscht scheinbar Uneinigkeit zwischen Merkel und Schäuble in der Griechenland-Frage. Beide wollen aber die hellenische Euro-Mitgliedschaft erhalten.
ATHEN/BERLIN/MÜNCHEN dpa/dapd | Zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) zeichnet sich offenbar ein Dissens über den richtigen Weg zur Rettung Griechenlands ab.
Während Schäuble nach Angaben aus Koalitionskreisen eher zu einer Lösung tendiere, bei der sich Athen förmlich für insolvent erklärt, wäre dieser Schritt aus Merkels Sicht zu riskant, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Einig seien sich beide darin, dass Griechenland Euro-Mitglied bleiben sollte.
Schäuble habe nach den Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre kaum noch Hoffnung, dass die Griechen die vereinbarten Spareinschnitte umsetzen werden. Selbst wenn dies gelänge, wäre 2020 die Schuldenlast gemessen an der Wirtschaftsleistung mit voraussichtlich gut 120 Prozent immer noch viel zu hoch.
Merkel kann dem Bericht zufolge zwar Schäubles Analyse in weiten Teilen folgen, nicht aber der Schlussfolgerung. Sie hält es dem Vernehmen nach für möglich, dass eine Pleite Griechenlands eine Schockwelle auslösen könnte, die auch Länder wie Spanien und Italien unter sich begräbt und zum Ende der Währungsunion führt.
Trotz wachsender Misstöne zwischen Deutschland und Griechenland befürwortet einer Umfrage zufolge knapp jeder zweite Bundesbürger weitere Hilfen für Athen. In einer am Freitag veröffentlichten Erhebung von Infratest dimap im Auftrag der ARD sprachen sich 48 Prozent der Befragten dafür aus, dass die Euro-Länder Griechenland weiterhin unterstützen. Dagegen seien 43 Prozent der Meinung, dass die EU Griechenland pleite gehen lassen sollte. (rtr)
Währenddessen steigt in Griechenland die Hoffnung auf eine baldige Auszahlung weiterer Milliardenhilfen. "Die Ampel steht in der Phase von gelb auf grün", titelte die Athener Zeitung Ta Nea am Donnerstag. Allerdings traten Brüssel und Berlin auf die Euphorie-Bremse. Es gebe noch offene Fragen, etwa wie die Umsetzung der griechischen Sparzusagen kontrolliert werden könne.
Griechen fühlen sich bevormundet
Der monatelange Poker um Sparauflagen und verbindliche Zusagen hat tiefe Spuren hinterlassen. Die Griechen fühlen sich bevormundet - von Deutschland und den anderen reichen Euroländern. Der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias griff den Bundesfinanzminister scharf an, das Boulevardblatt Eleftheros Typos schrieb von einer "Junta Schäuble".
Papoulias polterte: "Ich akzeptiere es als Grieche nicht, dass mein Land von Herrn Schäuble beleidigt wird." Der 82-Jährige fügte hinzu: "Wer ist denn Herr Schäuble, der Griechenland beleidigen kann. Wer sind denn die Niederländer, wer sind die Finnen?"
Seine Äußerungen fielen am Mittwoch während eines Mittagessens mit der Führung der Streitkräfte des Landes und wurden am Donnerstag in der griechischen Presse veröffentlicht. Schäuble hatte mehrfach betont, Griechenland dürfe kein Fass ohne Boden werden, und im Gegenzug für Hilfen strenge Kontrollen gefordert.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wies den Angriff auf Schäuble mit deutlichen Worten zurück. "Eine derartige Kritik an Deutschland und an den deutschen Verhandlungsführern können wir nicht akzeptieren", sagte er. Er warnte die griechische Staatsspitze zugleich vor einer Eskalation der Debatte und rief zur Rückkehr zu einem sachlichen Ton auf.
Geteile Meinungen
Auch Unions-Politiker verwahrten sich gegen die Attacke: "Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. Das ist ein neuer negativer Höhepunkt der Kritik an Deutschland und anderen stabilitätsorientierten Ländern in der Eurozone", sagte CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach dem Sender N24.
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, zeigte Verständnis für den Ausbruch von Papoulias. "Niemand sollte von oben herab die Griechen, die in den vergangenen Wochen schmerzhafte Einsparungen vorgenommen haben, belehren oder demütigen", sagte Schulz dem Berliner Tagesspiegel.
Ähnlich äußerte sich der Euro-Skeptiker der FDP, Frank Schäffler. "Die Politik, die wir die letzten zwei Jahre machen, ist sehr oberlehrerhaft. Wir wollen die Griechen zu ihrem Glück zwingen. Aber sie müssen das am Ende selbst wollen und können. Und daran sieht man, dass eben diese Rettungsschirmpolitik nicht funktioniert", sagte Schäffler dem Nachrichtensender N24 mit Blick auf die Euro-Rettungsschirme EFSF und ESM.
Die Europäische Zentralbank (EZB) will nach Informationen der Welt den Weg für den seit Monaten umstrittenen griechischen Schuldenschnitt ebnen. Wie die Tageszeitung am Donnerstag unter Berufung auf informierte Kreise berichtet, tauschen die nationalen Notenbanken des Euro-Systems bis zum Montag ihre griechischen Anleihen gegen neue Anleihen Griechenlands. Die EZB gab dazu keinen Kommentar ab.
Entscheidung über neues Hilfspaket steht an
Für kommenden Montag hatte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker eine endgültige Entscheidung der Euro-Finanzminister über das neue, 130 Milliarden Euro schwere Hilfspaket zugunsten Athens angekündigt. Parallel wird damit gerechnet, dass Griechenland nach monatelangem Gezerre das Angebot zum Anleihetausch für die privaten Gläubiger präsentiert.
Davon erhofft sich das Euro-Sorgenkind eine Verringerung des Schuldenbergs um 100 Milliarden Euro. Früheren Angaben von Athens Finanzminister Evangelos Venizelos zufolge wurde bei den Verhandlungen gefordert, dass auch die EZB mit ins Boot kommt. Sie hatte 2010 mit dem Ankauf griechischer Anleihen begonnen und ist damit zu einem der größten Einzelgläubiger geworden.
Der Welt zufolge wird die Tauschaktion mit der EZB so abgewickelt, dass für sie und die nationalen Notenbanken ein Gewinn anfällt. Genaue Details wurden nicht erläutert. Führende Notenbanker hatten zuletzt immer wieder betont, dass eine Beteiligung am Anleihetausch nicht in Frage komme, wenn damit Verluste anfielen. Denn dies würde einer direkten Staatsfinanzierung gleichkommen, die von den EZB-Statuten verboten wird.
Unterdessen verlieren die Griechen zunehmend das Vertrauen in die beiden großen Parteien, die die Regierung von Staatschef Lucas Papademos stützen. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Athener Meinungsforschungsinstituts VRPC im Auftrag der Zeitschrift Epikaira - mit Blick auf die für April geplanten Neuwahlen.
Noch offene Punkte
Demnach würden die Sozialisten nur noch fünftstärkste Kraft mit elf Prozent der Stimmen werden (2009: 44 Prozent). Den Konservativen, die als stärkste Kraft aus der Umfrage hervorgingen, würde es nicht gelingen, allein eine Regierung zu bilden. Sie kämen auf 27,5 Prozent (2009: 34 Prozent). Sie wären auf Koalitionspartner angewiesen. Die - allerdings untereinander zerstrittenen - linken Parteien kämen zusammen auf 43,5 Prozent.
Die Bundesregierung sieht im Gezerre um das neue Hilfsprogramm noch offene Punkte, wie aus Regierungskreisen verlautete. Dies betreffe etwa die Frage, wie die Umsetzung des Programms für Griechenland überwacht werden könne und wie der Schuldenabbau etwa durch ein Treuhandkonto Vorrang habe.
Griechenlands Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis traut seinem Land in fünf Jahren die Trendwende zu. "Wir strengen uns sehr an, das Land zu verändern, zu reformieren, zu erneuern", sagte Chrysochoidis vor Journalisten in Frankfurt. "Kritiker überall in Europa werfen uns vor, Griechenland führe keine Reformen durch. Das ist nicht wahr", betonte der Minister. Er versicherte zugleich: "Es gibt keine anti-deutsche Stimmung in Griechenland. Es gibt keine Probleme mit Deutschen und Deutschland in Griechenland."
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