■ Kommentar: Papiertiger
Im Streit um die Reparatur des Atommeilers Brunsbüttel haben die Hamburgischen Electricitäts-Werke klein beigegeben. Nach einem Jahr Verweigerung wollen sie nun den Forderungen der Kieler Aufsichtsbehörde nachkommen: Eine umfangreiche und kostspielige Umrüstung des Kraftwerkes, die über eine bloße Reparatur weit hinausgeht, soll in Angriff genommen werden.
Doch ist dies kaum mehr als in Pyhrrussieg für die Verbal-Aussteiger von der Förde: Denn Instandsetzung bedeutet Weiterbetrieb. Die Chance zum Ausstieg wurde verpasst. Damit zeigt sich wieder einmal, daß die im vergangenen Jahr beschlossene HEW-Satzungsänderung nicht mehr ist als ein Papiertiger. Der Stromversorger ist verpflichtet, aus der Atomnutzung auszusteigen, sobald dies betriebswirtschaftlich möglich ist. Denn ob sich die teuren Reparaturen an dem Schrottreaktor jemals rechnet, ist zweifelhaft. Ökonomisch läßt sich der Abschied von Brunsbüttel allemal begründen – allein der Wille fehlt der HEW.
Da hilft es wenig, daß die Kieler Landesregierung in der vergangenen Woche zum wiederholten Male drohte, 1996 nun wirklich mit dem Ausstieg aus der Atomkraft zu beginnen. The same procedure as every year – schon Schubladen-Opfer Günter Jansen brachte es zu wahren Ankündigungs-Rekorden in der Ausstiegsfrage.
Doch wer nimmt das periodisch wiederkehrende Donnergetöse aus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt noch ernst? Die HEW, das beweist ihre kostspielige Reparatur-Entscheidung, tun dies jedenfalls nicht.
Marco Carini
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