Papier von Brexit-Minister Davids: Großbritannien will Zollunion auf Zeit
London fordert, dass auch nach dem EU-Ausstieg erst einmal auf Handelsschranken verzichtet wird. Brüssel ist skeptisch.
Ob Großbritannien für eine solche Übergangslösung zahlen müsse, sei Teil der Verhandlungen. Aber die Zahlungen von 10 Milliarden Pfund im Jahr für die Mitgliedschaft in der Zollunion sollten so bald wie möglich enden, sagte er. Der Europäische Gerichtshof, dessen Rechtsprechung die Briten nach dem Brexit nicht mehr akzeptieren wollen, müsse bei den Verhandlungen aber außen vor bleiben. „Mir sind keine Umstände bekannt, unter denen Länder ein Abkommen mit anderen Ländern treffen und der Gegenseite die Verhandlungsmodalitäten überlassen“, sagte Davis.
Die Übergangszeit in der Zollunion soll ungefähr zwei Jahre dauern, um den britischen Unternehmen eine gewisse Sicherheit zu bieten, meint Davis. In dieser Zeit werde man mit anderen Ländern über bilaterale Handelsabkommen sprechen.
Brüssel ist nicht begeistert. Laut EU-Kommission dürfen Mitglieder der EU-Zollunion keine Handelsabkommen mit anderen Ländern abschließen. Außerdem werde man nicht über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien verhandeln, solange nicht drei Punkte geklärt seien: Großbritanniens Zahlungsverpflichtungen nach der Scheidung von der EU, die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien und von Briten in EU-Ländern sowie der Status der neuen EU-Außengrenze zwischen Irland und Nordirland. Zu diesem Punkt will die Regierung am Mittwoch ein Papier vorlegen.
Harter vs. weicher Brexit
Weitere Papiere zu Themen, die von Datenschutz bis Sicherheit reichen, sollen in den nächsten drei Monaten vorgelegt werden. Das Papier über die zeitlich begrenzte Fortführung der Zollunion scheint auf den ersten Blick ein Sieg der Befürworter eines „weichen Brexit“ zu sein, wie Schatzkanzler Philip Hammond ihn gefordert hat.
Der hatte jedoch am Sonntag einen gemeinsamen Artikel mit dem Verfechter eines „harten Brexit“, Handelsminister Liam Fox, im Sunday Telegraph veröffentlicht, in dem der wochenlange erbitterte Streit zwischen beiden Lagern beigelegt schien. Großbritannien werde die Zollunion schon am „Brexit-Tag“ verlassen und ein „Drittland ohne Bindung an EU-Verträge“ sein, hieß es in dem Artikel. Das wurde als Sieg für die Befürworter eines harten Brexit interpretiert.
Brexit-Minister David Davies
Den Zwist im Kabinett erklärte Davis für normal. Natürlich habe jedes Ministerium seine eigenen Ziele im Blick, sagte er, aber seine Aufgabe sei es, alles unter einen Hut zu bringen und keine utopischen Forderungen aufzustellen. Die schwammigen Formulierungen bei den Verhandlungen seien gewollt. „Es ist manchmal schwierig, herauszulesen, was wir eigentlich planen“, sagte er. „Das ist Absicht. Ich fürchte, bei Verhandlungen gibt es von Zeit zu Zeit solch konstruktive Uneindeutigkeit.“
Sein früherer Berater James Chapman, der vehement für den Verbleib in der EU kämpft, will im Königreich eine neue Partei der Mitte gründen, die den Austritt aus der EU noch verhindern soll. Der Brexit sei der Anfang vom Ende der Konservativen Partei, sagte er. Zwei Kabinettsminister und eine Reihe ehemaliger Minister sowie einige Minister aus dem Labour-Schattenkabinett haben ihr Interesse an seinem Vorhaben bekundet, sagte Chapman, der früher Politikchef beim Pro-Brexit-Boulevardblatt Daily Mail war.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“