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Pannen bei Probelauf in Brokdorf

■ Vertrauliches Protokoll des „Sicherheitsbeirates“ ergab sechzehn Pannen während einer nichtnuklearen Testphase im Atomkraftwerk Brokdorf / Betreibergesellschaft betonte „Zuverlässigkeit“ des AKWs

Aus Hamburg Niklaus Hablützel

Ventile im Kühlwasserkreislauf ließen sich nicht mehr bewegen, Leitungen leckten, Steuerstäbe, die für die Schnellabschaltung sorgen müssen, klemmten: Sechzehn Pannen dieser Art ereigneten sich während der Probephase im Atomkraftwerk Brokdorf. So ergibt es sich zumindest aus einem vertraulichen Protokoll über die erste Sitzung des sogenannten „Sicherheitsbeirates“ vom 5. August. KWU, PreAG und die Kernkraftwerk Krümmel GmbH stellen allein fünf der Beiräte, TÜV und Gesellschaft für Reaktorsicherheit je zwei, der letzte Sitz wird von einem schweizer Ingenieurbüro namens „Motor Co lumbus“ gehalten. Diese Runde ließ sich vom Vertreter des Kernkraftwerks Brokdorf vortragen, was in der nicht–atomaren Erprobung des nagelneuen Reaktors alles schief gelaufen ist. In jedem der insgesamt drei Kühlwasserkreisläufe kam es zu Störungen. In einem Fall hatten sich die Leitungen des Primärkreislaufes „in Richtung Speisewasserbehälter entleert“, so das vom TÜV–Vertreter angefertigte Protokoll. Das Versehen könnte zum Super–GAU führen; „Kühlmittelverlust“ ist eine Panne, die in den Genehmigungsverfahren zum „Restrisiko“ zählt, d.h. nicht berücksichtigt wird. Als im vergangenen Februar die Elbe zufror, stand der Meiler bei Niedrigwasser buchstäblich auf dem Trocke nen, laut Protokoll mußten alle Pumpen des Hauptkühlsystems nach und nach abgeschaltet werden. Grund: Die Wasserzuleitung war durch Eisschollen blockiert. Was gegen einen solchen Schlechtwetter–Fall mit unwägbaren Konsequenzen zu tun sei, war den Experten im August noch nicht klar. Die Betreiber schlugen vor, den Meiler rechtzeitig herunterzufahren und den Fangrechen im Fluß besser zu reinigen, aber: „Der genaue Umfang der Maßnahmen wird noch festgelegt.“ Ebenso offen läßt das Protokoll, was gegen einen anderen Unfall zu tun sei, der von Atomkritikern schon immer als besonders wahrscheinlich und folgenreich dargestellt wurde: Irgendwann (Daten enthält das Protokoll leider nicht) begann ein Rohr des „Hauptkondensatsystems“ so sehr zu schwingen, daß eine Schweißstelle leckgerissen wurde. Das geschah bei „Mindestmengenbetrieb“, man beschloß, die Halterungen zu „ertüchtigen“, ein „abschließender Bericht“ werde noch vorgelegt. Seit Brokdorf am Netz ist, ereigneten sich zwei Störfälle, die nach diesem Protokoll nicht mehr überraschend sind: Eine Meßleitung leckte, ein Steuerstab löste sich und ein Ventil bewegte sich nicht. Schon im Sommer hatten sich die Ventile des Dampfkreislaufes festgefressen, mal war auch der Antrieb von Pumpen schlicht abgebrochen, ein anderes Ventil hatte sich geöffnet, weil ein Bauteil herausgefallen war.

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