Panne im Gesundheitsministerium: Kommafehler im Drogengesetz
Das Gesundheitsministerium habe versehentlich mehrere LSD-ähnliche Substanzen legalisiert, schreibt ein Strafrechtler. Lauterbachs Ressort bleibt gelassen.
taz | Hat das Gesundheitsministerium versehentlich LSD-Derivate legalisiert, statt neue Substanzen zu kriminalisieren? Das behauptet jedenfalls der Anwalt Sebastian Sobota in einem Fachaufsatz. Das Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach (SPD) weist den Vorwurf zurück. Es handele sich nur um einen „redaktionellen Fehler“, der „zügig berichtigt“ werde.
Konkret geht es um eine Änderung im „Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz“, die das Gesundheitsministerium im Juli 2022 per Verordnung beschloss. Sie trat nach der Zustimmung des Bundesrats im vergangenen September in Kraft.
Das Gesetz wurde 2016 eingeführt, um effektiver gegen die Hersteller synthetischer Drogen vorgehen zu können. Diese veränderten damals häufig die chemische Struktur von verbotenen Substanzen wie THC und LSD minimal, um damit neue zunächst legale Drogen herzustellen. Diese wurden dann als „Legal Highs“ verkauft, bis auch sie verboten wurden.
Das Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz ermöglicht der Regierung nun, per Verordnung ganze Stoffgruppen zu verbieten statt einzelner Substanzen. Doch das Hase-und-Igel-Spiel ging weiter. Die Drogenindustrie erfand nun eben neue Stoffgruppen, weshalb das zuständige Gesundheitsministerium die Anlage zum Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz regelmäßig ergänzen musste.
Bei älteren Urteilen sei ein Gnadengesuch möglich
Bei der letzten Änderung kam es dann zu einem banalen Fehler. Statt eines Kommas wurde in einer Aufzählung ein Bindestrich gesetzt. Es wurden daher nicht zwei (gefährliche) Stoffgruppen aufgezählt, sondern eine neue (ungefährliche) Stoffgruppe benannt.
Auf diesen Lapsus machte der Anwalt Sebastian Sobota aufmerksam, der aktuell an der Uni Heidelberg einen Kriminologie-Lehrstuhl vertritt. Sein Aufsatz in der Fachzeitschrift Strafverteidiger soll Ende März erscheinen, zirkuliert aber bereits jetzt und liegt auch der taz vor. Darin argumentiert Sobota, die geplante Kriminalisierung des LSD-Derivates 1V-LSD sei aufgrund des „gesetzgeberischen Versehens“ gescheitert. Der Gesetzgeber müsse sich beim Wort nehmen lassen. Gerichte könnten das Gesetz nicht gegen seinen Wortlaut auslegen.
Und weil die Anlage zum Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz bei dieser Änderung völlig neu gefasst wurde, führe der Fehler auch zur Re-Legalisierung bestimmter bereits verbotener LSD-Derivate, so Sobota. Auch hier müssten die Gerichte freisprechen, wenn das Urteil noch nicht gefallen ist. Bei älteren Urteilen sei ein Gnadengesuch möglich.
Sobotas Analyse sorgte für große Unruhe und wurden von juristischen Medien wie der Legal Tribune Online (LTO) ebenso aufgegriffen wie von der Bild-Zeitung („peinlicher Drogen-Patzer bei Karl Lauterbach“).
Gesundheitsministerium bleibt entspannt
Das gescholtene Ministerium blieb aber ruhig. Der Fehler habe „keine Auswirkungen auf die geltende Rechtslage“. Das Ministerium geht offensichtlich davon aus, dass die Regelung doch mit dem intendierten Inhalt zustande gekommen ist, weil sich die Absicht des Gesetzgebers eindeutig aus der Begründung ergebe. Die angekündigte Berichtigung, die binnen vier Wochen abgeschlossen sein soll, hätte dann nur klarstellende Bedeutung.
Welche Seite recht hat, müssen am Ende die Strafgerichte entscheiden – falls es überhaupt entsprechende Anklagen gibt.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert