Panne beim Zentralabi in Hamburg: Schulbehörde durchgefallen
Bei der Abiturprüfung in Physik fehlte eine Formel. Die Schulbehörde schickte sie per Fax in die Prüfungszimmer – nicht überall rechtzeitig.
HAMBURG taz | Unter erschwerten Umständen fand am vergangenen Dienstag die zentrale Abiturprüfung im Fach Physik statt. Anderthalb Stunden nach Beginn der fünfstündigen Klausur schickte die Behörde per Fax eine Formel an die Schulen, die den rund 600 Prüflingen zur Lösung einer Aufgabe fehlte. „Das hat an drei Schulen nicht funktioniert“, räumt Behördensprecher Peter Albrecht ein. An diesen Schulen soll nun diese Aufgabe anders gewertet werden.
Aufmerksam gemacht auf die Panne beim Abitur hat Schulreform-Gegner Walter Scheuerl, dem ein Physik-Schüler geschrieben hatte. Der Aufgabenteil zu Gravitation sei ohnehin nur mit „Näherungen und Optimierungen“ lösbar gewesen, klagt dieser.
Doch die letzte Aufgabe zur Berechnung der Energie eines Kometen auf einer elliptischen Umlaufbahn war offenbar eine fiese Überraschung für die Schüler. Denn in der Handreichung der Behörde zum Abitur 2015, mit denen die Lehrkräfte ihr Curriculum auf die Prüfung ausrichten, hieß es zwar, die Schüler müssten Laufbahnen von Planeten und Satelliten berechnen, doch dies sei „eingeschränkt auf Kreisbahnen“.
Die Formeln für Ellipsenbahnen seien weder im Unterricht behandelt worden, klagt der Schüler, noch stünden sie im „Tafelwerk“, einer Formelsammlung, die Prüflinge in Naturwissenschaften benutzen dürfen. „Zehn Minuten nach der offiziellen Abgabezeit um 14.30 erhielt meine Schule ein Fax von der Behörde, in dem die notwendigen Informationen standen, ohne die die Aufgabe leider unlösbar war“, schreibt der Abiturient.
Seit 2014 gibt es in Hamburg ein Zentralabitur. Ausgenommen sind nur Orchideenfächer wie Kunst oder Geschichte auf Englisch.
Die zentralen Prüfungen finden vom 22. April bis 18. Mai statt.
Die Aufgaben in Mathe, Englisch und Deutsch werden mit anderen Ländern abgestimmt.
Die übrigen Aufgaben werden von Lehrern entworfen und von der Behörde und dem Lehrerbildungsinstitut ausgewählt. Ein Lehrer schreibt sie Probe.
In Physik haben 669 Schüler die Prüfung abgelegt, davon 603 auf erhöhtem Niveau. Diesen fehlte die Formel.
Die Schüler mussten zwei der drei Aufgabenfelder harmonische Schwingungen, Gravitation und elektrisches Feld bearbeiten.
Er wisse von mindestens drei Gymnasien, die das Fax erst so spät bekamen, sagt Walter Scheuerl. Es ist das zweite Jahr, in dem das von Schulsenator Ties Rabe (SPD) gegen Proteste der Schulen durchgesetzte Landes-Zentralabitur in fast allen Einzelfächern stattfindet, in Physik erstmals. Scheuerl findet, die Schulbehörde habe „auf ganzer Linie versagt“. Sie müsse Aufgaben vorbereiten, „die lösbar sind“.
Behördensprecher Albrecht spricht von einer „kleinen Panne“, die sehr ärgerlich sei. Die Aufgabe entspreche durchaus noch der Handreichung, da „keine konkreten Bahnpunkte berechnet werden“, argumentiert er. Der Hinweis, dass eine Formel fehlt, sei am Morgen von einer Schule gekommen. Dass Details zu Aufgaben nachgereicht werden, könne vorkommen.
Deswegen gebe es an Abiturtagen eine „Bereitschaft am Faxgerät“. Die Schüler der drei Schulen bekämen einen „Nachteilsausgleich“, versichert Albrecht: „Wer die Aufgabe bis zu dem Teil, an dem die Formel nötig war, gelöst hat, bekommt trotzdem die volle Punktzahl.“ Die Aufgabe mache etwa fünf Prozent der Klausurnote aus.
Die Behörde müsse für die ganze Klausur einen „fairen Bewertungsmodus“ finden, sagt Scheuerl. Denn die Zeit, die die Abiturienten für die Bearbeitung der unlösbaren Aufgabe eingesetzt hätten, fehle ihnen bei den übrigen. Solche Fehler hätten „Auswirkungen auf die ganze Klausur“, schreibt auch ein betroffener Schüler auf Facebook.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebungen syrischer Geflüchteter
Autokorsos und Abschiebefantasien
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!
NGO über den Machtwechsel in Syrien
„Wir wissen nicht, was nach dem Diktator kommt“
Sturz des Syrien-Regimes
Dank an Netanjahu?
Unterstützerin von Gisèle Pelicot
„Für mich sind diese Männer keine Menschen mehr“