: Panik in Dänemarks Metzgereien
Erstes dänisches BSE-Rind. Verdacht auf verbotenes Futter
Kopenhagen( taz) – In den Kühltruhen dänischer Supermärkte klafften am Dienstag große Lücken. Alles Rindfleisch war entfernt worden, Rindfleischpakete gingen den umgekehrten Weg über die Ladentheke: Einige Metzgereien kamen den Wünschen ihrer KundInnen nach, die am Montag frisch gekauftes Rindfleisch zurückgeben wollten. Der erste Fall von Rinderwahnsinn seit 1992 im Lande hat zu einem nahezu vollständigen Stopp für Verarbeitung und Handel mit Rinderprodukten geführt.
Dänemarks gerade neu ernannte Landwirtschaftsministerin und Ex-EU-Umweltkommissarin Ritt Bjerregaard reagierte scharf, als der BSE-Fall bekannt geworden war. VerbraucherInnen wurden angehalten, Rindfleischprodukte mit Knochenmarkbestandteil wegzuwerfen, den Geschäften auferlegt, diese aus dem Angebot zu entfernen. Schlachtereien sind verpflichtet, ihre Schlachtroutinen zu ändern, Lebensmittelkontrollen wurden verschärft; es wurde angekündigt, alles zu versuchen, die BSE-Verseuchungsquelle aufzuspüren.
Rinderwahnsinn war in Dänemark zuletzt 1992 konstatiert worden, doch handelte es sich damals „nur“ um ein aus Großbritannien importiertes Tier. Jetzt ist es eine Kuh rein dänischer Herkunft. Eine andere Ansteckungsquelle als Tierfutter schlossen Experten in ersten Reaktionen als unwahrscheinlich aus. Was angesichts der Tatsache, dass in Dänemark bereits seit 1990 die Verarbeitung von Tierkadavern und seit 1986 von Knochenmehl zu Tierfutter und der Handel damit verboten sind, bedeuten kann, dass „unsauberes“ Futter im Umlauf ist.
Außer in Dänemark war am Dienstag auch in Norwegen und Schweden dänisches Rindfleisch aus den Geschäften verschwunden. Hier hatten Verbraucherorganisationen zu einem Kaufstopp aufgefordert. Dänemark hat einen Rinderbestand von rund zwei Millionen Tieren. Jährlich werden knapp 150.000 Tonnen exportiert, Rindfleisch ist Dänemarks wichtigste Exporteinnahmequelle. Auch nur der Hauch eines Verdachts, dass dänische Produkte nicht erstklassig sein könnten, gilt der Branche als große Gefahr. Landwirtschafts- und Schlachtereiorganisationen reagierten daher auch negativ auf das Vorgehen der Regierung, der man Überreaktion vorwarf. „Wer im Ausland“, so Peter Gaemelke, Präsident des Landwirtschaftsrats, „will jetzt noch dänisches Fleisch kaufen, wenn wir es selbst wegwerfen. Hier hat ein EU-Land einen einzelnen BSE-Fall überdramatisiert.“
Tatsächlich steht die heftige Reaktion in Dänemark selbst in auffallendem Gegensatz zu der seitens der EU. EU-Verbraucherkommissar David Byrne sprach angesichts des Einzelfalls von einem „reinen Nichts“. Die Reaktion der dänischen Regierung könnte vor allem zwei Gründe haben: Ritt Bjerregaard hatte bereits bei ihrem Amtsantritt in der vergangenen Woche erklärt, sie wolle endlich etwas gegen gesundheitsschädliches Essen unternehmen. Immerhin wurden im letzten Jahr in Däenmark über 200.000 Fälle von Lebensmittelvergiftungen aufgrund von Bakterien in Lebensmitteln registriert. Es könnte aber auch sein, dass hinter der massiven Reaktion Befürchtungen stehen, dass angesichts verbotenen Futters und der langen Inkubationszeit von BSE insgesamt etwas faul sein könnte in dänischen Ställen.
Reinhard Wolff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen