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Palasttherapie

Schritt für Schritt wird der Palast demontiert. Noch nicht per Abrißbirne, sondern zunächst verbal. Ein Internationales Konferenzzentrum mit einem Hotel, möglicherweise für Gäste der Bundesregierung, soll nach der Asbestsanierung am selben Ort entstehen. Damit es der Öffentlichkeit nicht gänzlich entzogen wird, wollen Bund und Land Restaurants und Kultureinrichtungen mit berücksichtigten. Schließlich wollen sich die Beteiligten nicht vorwerfen lassen, hinter die Standards der DDR-Zeiten zurückzufallen. In der Erinnerung vieler Ostdeutscher war das Gebäude ein „Haus des Volkes“, mit Schweineschnitzel, Hochzeiten und Parteitagen unter einem Dach. Daß sich von den Verantwortlichen in Berlin und Bonn noch niemand offen für den Abriß ausgesprochen hat, ist den Interessengegensätzen und der ungeklärten Finanzierung geschuldet. Während Diepgens CDU für den Wiederaufbau des Schlosses plädiert, liebäugelt Töpfer mehr oder weniger offen mit einer modernen Variante. SPD-Senatsneuling Strieder massiert die Seele der Ostberliner, in dem er ihnen den Erhalt denkmalgeschützter Teile des Palastes verspricht. In den Köpfen der Verantwortlichen aber ist „Erichs Lampenladen“ längst beerdigt. Auf dem Weg zum Grab haben die verquasten öffentlichen Erklärungen nur noch therapeutische Funktion. Jedes Treffen des Gemeinsamen Ausschusses diente bislang dazu, die sentimentalsten Ostberliner an das Unvermeidliche zu gewöhnen. Am Ende nämlich wird nichts bleiben als die Erinnerung an ein Gebäude, das für kurze Zeit Geschichte machte. Severin Weiland

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