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Palästinenser vor Israels BotschaftUnterstützung für Hungerstreik

Firas Maraghy will sein Wohnrecht in Ostjerusalem nicht verlieren. Vor über vier Wochen trat er deshalb in einen Hungerstreik vor der israelischen Botschaft.

Ostjerusalem: Firas Maraghy möchte seinen Wohnsitz dort behalten, auch, wenn er derzeit in Deutschland lebt Bild: dpa

BERLIN taz | Die Obleute aller Fraktionen im Menschenrechtsausschuss des Bundestags setzen sich für den Palästinenser ein, der seit viereinhalb Wochen vor der israelischen Botschaft in Berlin im Hungerstreik ist. Ute Granold (CDU), Marina Schuster (FDP), Christoph Strässer (SPD), Volker Beck (Grüne) und Annette Groth (Linke) sind wie einige andere Bundestagsabgeordnete im Fall von Firas Maraghy aktiv geworden.

Maraghy ist in Jerusalem geboren und hat bis zu seiner Ehe mit einer Deutschen dort gelebt. Er hat sich zu dem Hungerstreik entschlossen, weil er sein Wohnrecht in Ostjerusalem nicht verlieren und ein solches Wohnrecht auch für seine sieben Monate alte Tochter erwirken möchte. Die israelische Botschaft solle seinen Ausweis verlängern und seine Ehe sowie die Geburt seiner Tochter eintragen.

Palästinenser aus Ostjerusalem gelten als staatenlos und bekommen von den israelischen Behörden als Ausweis eine Jerusalem ID, die unter bestimmten Bedingungen entzogen werden kann, etwa wenn der Lebensmittelpunkt nicht mehr in Jerusalem liegt. Maraghy wurde darüber informiert, dass sein Ausweis nur dann erneuert werde, wenn er ab dem kommenden Jahr für mindestens eineinhalb Jahre in Jerusalem lebt.

Maraghy und seine Frau Wiebke Diehl möchten aber zurzeit in Deutschland leben, weil Diehl hier promovieren möchte. Zudem befürchtet das Paar aufgrund von Erfahrungsberichten anderer Palästinenser aus Ostjerusalem, in Jerusalem ebenfalls nicht die entsprechenden Dokumente zu bekommen und so als Familie für längere Zeit getrennt zu sein. Doch Maraghy möchte auch sein Wohnrecht in Jerusalem nicht verlieren: „Jerusalem ist meine Heimat. Meine ganze Familie lebt dort.“

Maraghy möchte den Hungerstreik durchziehen, obwohl er körperlich sehr geschwächt ist. Die Situation der Palästinenser in Ostjerusalem sei eine zusätzliche Motivation. „Diese Hilflosigkeit gegenüber den Behörden macht die Menschen kaputt.“

Einige Bundestagsabgeordnete haben Briefe an den israelischen Botschafter oder den deutschen Außenminister geschrieben und sich für Maraghy eingesetzt. Die CDU-Obfrau im Menschenrechtsausschuss im Bundestag, Ute Granold, bittet den Botschafter, das Anliegen Maraghys „wohlwollend zu prüfen“. Die Obfrau der FDP im Menschenrechtsausschuss, Marina Schuster, sagt, sie verstehe die Position von Maraghy: „Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass man noch eine Lösung findet.“

Der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Christoph Strässer, fordert in einer Pressemitteilung, Maraghy sollten die benötigten Dokumente ausgehändigt werden. Der Grünen-Obmann im Menschenrechtsausschuss, Volker Beck, fordert die israelische Botschaft auf, in diesem Fall eine Ausnahme zu machen, „unabhängig von der passrechtlichen Regelung“. Zudem solle man die bürokratischen Verfahren so ändern, dass solche Fälle nicht mehr auftauchen.

Die israelische Botschaft gibt bekannt, der Botschafter habe Maraghy getroffen und versucht, ihn von seinem Hungerstreik abzubringen. Nach israelischer Rechtslage könne nur das israelische Innenministerium, nicht die Botschaft, Maraghys Tochter als Einwohnerin Israels registrieren, und dafür müsse er nach Jerusalem zurückkehren.

Eine der vielen Initiativen, die sich für Maraghy einsetzen und etwa Mahnwachen vor der Botschaft organisieren, ist die der „Israelis gegen die Besatzung“. Maraghys Wohnrecht in Jerusalem solle nicht von irgendwelchen Bedingungen abhängig gemacht werden, sagt eine Initiatorin. Israel versuche durch bürokratische Erschwernisse, die Zahl der in Jerusalem lebenden Araber zu verringern.

Der Verband für binationale Familien und Partnerschaften wünscht sich, dass die Familie ein Wohnrecht in Jerusalem erhält. „Unser Verein wurde in den 70er Jahren gegründet, weil deutsche Frauen, die mit Palästinensern verheiratet waren, hier kein Aufenthaltsrecht für ihre Männer bekommen haben“, sagt die Vorsitzende Bettina Müller-Sidebé. Auch heute noch seien die Behinderungen für binationale Paare vielfältig, das betreffe auch das deutsche Aufenthaltsrecht.

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6 Kommentare

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  • D
    D.Arndt

    Ich habe Firas und seine nette, junge Familie diesen Winter in Berlin kennen gelernt und wäre zutiefst erschüttert, wenn er bei diesem Hungerstreik sterben würde. Das kann doch wohl nicht sein. Mir fehlen echt die Worte für solch eine israelische Politik. Die Erklärung der israelischen Botschaft ist der reine Hohn. Sie ersucht nur die Schuld von sich weg auf Firas zu lenken. Viel billiger geht es wohl kaum noch. Wie kann es sein, dass einheimische Jerusalemer nicht mehr mit ihrer Familie in Jerusalem leben dürfen? Und was für Gesetze sind das, die ihnen das verbieten wollen?

     

     

    http://palaestina-israel.blog.de

  • E
    EinMensch-wieStolzDasKlingt

    schreiben der israel. botschaft:

    "Wir sehen uns daher zu der Schlussfolgerung gezwungen, dass Firas Maraghy eine politische Kampagne betreibt, die darauf abzielt, die Legitimität des Staates Israel und seiner Gesetze zu erschüttern."

     

    das soll ein einzelner bewerkstelligen können, nur weil er das recht einfordert, wie jeder andere israel. staatsbürger behandelt zu werden? hysterie und irreführung!

     

    @kritische israelis

    ihr macht die sachlage transparent, die argumentation der israel. botschaft durchschaut ja kaum jemand, der/die gesetzgebung zu staatsbürgerlichen fragen, gerade in hinblick auf die behandlung der(staatenlosen) in israel lebenden palästinenserInnen, nicht kennt. dafür und für euer engagement ein ganz großes dankeschön und hoffentlich viel erfolg!!!

  • S
    Stefan

    "Herr Firas Maraghy, Einwohner von Ostjerusalem, hat am 26. Juli 2010 einen Hungerstreik vor der Botschaft des Staates Israel in Berlin begonnen. Zu unserem Bedauern lehnt Herr Maraghy systematisch alle Lösungen ab, die ihm zur Verfügung stehen und ihm bei mehreren Treffen mit führenden Vertretern der Botschaft präsentiert wurden.

     

    Wir sehen uns daher zu der Schlussfolgerung gezwungen, dass Firas Maraghy eine politische Kampagne betreibt, die darauf abzielt, die Legitimität des Staates Israel und seiner Gesetze zu erschüttern.

     

    Israel ist ein demokratischer Staat, und seine Gesetze bezüglich der Bedingungen für den Erhalt des Einwohnerstatus‘ unterscheiden sich nicht von denen anderer demokratischer Staaten.

     

    Hintergrund

     

    1. Herr Maraghy hat sich erstmals am 7. April 2010 an die Konsularabteilung der Botschaft gewandt und um die Registrierung seiner am 26. Dezember 2009 in Deutschland von einer deutschen Mutter zur Welt gebrachten Tochter als Einwohnerin Israels angesucht.

    2. Maraghy wurde sogleich darüber aufgeklärt, dass nach den Gesetzen des Staates Israel keine Registrierung eines Einwohners von Israel im Ausland vorgenommen werden kann. Der Grund dafür liegt darin, dass der Status der Einwohnerschaft einen tatsächlichen Aufenthalt – Nachweis des Lebensmittelpunkts – in Israel erforderlich macht.

    3. Maraghy beharrte auf dem Einreichen des Gesuchs. Das Innenministerium in Jerusalem wies es nach einer Prüfung zurück und teilte dies dem Antragssteller in einem Brief vom 14. April mit.

    4. Einige Tage vor Beginn seines Hungerstreiks starteten Maraghy und seine Ehefrau eine politische Kampagne in Deutschland. Am 26. Juli begann der Hungerstreik Maraghys, mit dem sich seitdem bei mehreren Anlässen der Botschafter, der Gesandte und der Konsul in der Botschaft getroffen haben.

    5. Die Botschaft möchte klarstellen, dass Herrn Maraghy einfache und korrekte rechtliche Lösungen zur Verfügung stehen, die ihm immer wieder vorgestellt wurden – eine Registrierung des Einwohnerstatus‘ eines Nachkommen macht eine Einreise nach Israel und einen Aufenthalt ebenda erforderlich (Nachweis des Lebensmittelpunkts). Zu diesem Zweck kann er jederzeit gemeinsam mit seiner Familie nach Israel reisen. Da die Tochter der Eheleute Maraghy deutsche Staatsbürgerin ist, kann sie mit einem deutschen Pass nach Israel einreisen und danach mit dem Verfahren der Registrierung des Einwohnerstatus’ beginnen.

    6. Ausnahmsweise wurde Maraghy angeboten, sich in Israel mit dem Leiter der Einwohnermeldebehörde zu treffen, dem ranghöchsten Vertreter des israelischen Innenministeriums, der mit diesem Thema befasst ist. Maraghy wies dieses Angebot zurück.

    7. Maraghy hat den Vertretern der Botschaft ausdrücklich erklärt, dass er nicht an einer bürokratischen und juristischen Lösung interessiert sei und er einen grundsätzlichen Kampf führe, der völlig aus dem Rahmen seines konsularischen Gesuchs fällt.

     

    Die Botschaft des Staates Israel sieht mit großem Bedauern, wie Maraghy und seine Vertrauten unter humanitärem Vorwand eine Manipulation betreiben, die darauf abzielt, die legitime Grundlage des demokratischen Rechtssystems zu erschüttern.

     

    Firas Maraghy ist kein Feind! Er ist Einwohner Israels, und uns ist daran gelegen, mit ihm gemeinsam die rechtlichen Vorschriften umzusetzen und ihm und seiner Familie zu helfen.

     

    Das Verhalten von Maraghy in den letzten Monaten hat leider gezeigt, dass er nicht an einer Lösung des Problems interessiert ist, sondern an einem politischen Protest auf dem Rücken der deutschen Öffentlichkeit.

     

    Botschaft des Staates Israel

     

    Berlin, den 30. August 2010"

     

    Interessant, wie die israelische Botschaft das sieht, oder? Könnte es sein, dass es Maraghy doch um eine Kampagne gegen Israel geht? Nur so eine Ahnung...

  • KI
    Kritische Israelis

    Wir, in Deutschland lebende israelische Staatsbürger, sind verärgert und empört über die Pressemitteilung der israelischen Botschaft in Berlin bezüglich Herrn Firas Maraghy.

     

    Der Inhalt und der Ton dieser Pressemitteilung erwecken den Eindruck, dass die israelische Botschaft eine ad-hominem Delegitimierungskampagne gegen Herr Maraghy lanciert, um den auf sie ausgeübten Druck zu vermindern und ohne wirkliche Taten folgen zu lassen. Das machen sie im Widerspruch zu den entsprechenden völkerrechtlichen Aufgaben und Pflichten gegenüber Herrn Maraghy. Das machen sie aber im Einklang zu der Aussage des Botschafters unseren Vertretern gegenüber, in der er ausdrücklich gesagt hat, dass man einen Präzedenzfall vermeiden möchte.

     

    Das Angebot der israelischen Botschaft an ihn, einen hochrangigen Beamten in Jerusalem zu treffen, ist nicht mehr als heiße Luft. Es gibt eigentlich nichts besonderes an diesem "Angebot", da es keine Garantien oder sonstige Zugeständnisse beinhaltet. Nach unseren Erfahrungen mit dem bürokratischen System in Israel ist es höchstwahrscheinlich, dass in Israel Herr Maraghy aufgefordert wird, einen Antrag auf Familienzusammenführung zu stellen, um seiner Tochter eine vorübergehende Residenz in Ost-Jerusalem zu ermöglichen. Die Bearbeitung eines solchen Antrags dauert durchschnittlich fünf Jahre und endet in den meisten Fällen mit einer Verweigerung dieses elementaren Rechts.

    Ein häufiger Ablehnungsgrund ist die Existenz einer anderen Staatsangehörigkeit des Objekts des Antrags. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Herr Maraghy dieses angebliche Angebot ablehnt.

     

    Die Forderung von Herrn Maraghy, der wir uns als israelische Staatsbürger anschliessen, ist es, die gleiche Behandlung der israelischen Botschaft zu erhalten wie wir als Juden, wenn er seine Tochter registrieren will und für sie ein laissez passer erhalten möchte. Auch wir bekommen bereits hier den Service, in den das Innenministerium in Israel involviert ist und der von der Botschaft hier vermittelt wird. Daher ist alleine schon die Bedingung, nach Ostjerusalem zu reisen und dort den Antrag zu stellen, Ausdruck der ungleichen Behandlung und offenbart den eigentlichen Charakter des scheinbar generösen Angebots.

    Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Weigerung der Botschaft, diesen Service auch Palästinensern zu bieten, der diskriminierenden und rassistischen Politik Israels entspringt, deren Vertreter sie ist und dessen Politik sie hier durchsetzt.

     

    Es wäre besser, wenn die Botschaft, statt leere Erklärungen an die Presse zu geben und das menschlichen Anliegen von Herrn Maraghy zu diskreditieren, ihre Kontakte und guten Willen in Gang gesetzt hätte, um das Unrecht, dass Herrn Maraghy angetan wird, zu einem Ende zu bringen.

     

    Anbei eine Passage aus dem Bericht einer NGO für Menschenrechte aus Israel:

    "Since 2003, Israel has also implemented the silent transfer of Palestinian residents of East Jerusalem from their homes through the apparatus of the Nationality and Entry into Israel Law (Temporary Order). The Law disproportionately impacts residents of East Jerusalem, who are forbidden from family unification not only with their spouses, but with their minor children.

    * As the children of citizens are granted citizenship as of right, the only children affected by the restrictions of the Temporary Order are the children of residents of East Jerusalem. The latter are not entitled to residency by virtue of birth to an East Jerusalem resident...."

    from Hamoked report to the UN committee July 2010

     

    kritischeisraelis@gmail.com

  • E
    einMenschisteinMenschisteinMensch

    "(...)Volker Beck, fordert die israelische Botschaft auf, in diesem Fall eine Ausnahme zu machen, "unabhängig von der passrechtlichen Regelung". Zudem solle man die bürokratischen Verfahren so ändern, dass solche Fälle nicht mehr auftauchen."

     

    volker beck fordert das richtige: aus einer "ausnahme" sollte eine neuregelung werden. aber genau das wollen die israel. technokraten natürlich vermeiden. wär ja noch schöner, wenn ostjerusalemer palästinenser plötzlich die gleichen bürgerrechte hätten wie israelis! ist aber schön zu lesen, dass auch kritische israelis maraghys ansinnen tatkräftig unterstützen. lässt doch hoffen.

  • J
    Jens

    Mit der Unterzeichnung dieser e-Petitionen kann man Firas Maraghy unterstützen:

     

    Petition an den Israelischen Botschafter:

     

    http://www.ipetitions.com/petition/firas-maraghy-petition-israeli-ambassador/

     

    Petition an den Deutschen Bundestag:

     

    http://www.ipetitions.com/petition/firas-maraghy-bundestagsabgeordnete/