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Palästina bekommt Verspätung

Entgegen Jassir Arafats Ankündigung werden die Palästinenser am 4. Mai wohl keinen eigenen Staat ausrufen. Die israelischen Wahlen sind im Weg  ■   Aus Gaza Susanne Knaul

Die 120 Mitglieder des Zentralrats der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) sind seit gestern dazu aufgefordert, über die Proklamation des Staates Palästina am 4. Mai zu beraten. Palästinenserpräsident Jassir Arafat hatte das Datum für die Staatsausrufung in Aussicht gestellt, an dem die Interimsperiode im palästinensisch-israelischen Friedensprozeß endet. Ein solcher einseitiger Schritt, wie die Staatsausrufung, würde die in Oslo begonnenen Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern annullieren und damit den derzeitigen Friedensdialog beenden, drohte daraufhin Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Die Palästinenser stimmen ihm in dieser Ansicht zu, wenngleich das Ende von Oslo in den besetzten Gebieten nicht mehr als große Katastrophe empfunden würde.

„Die Entscheidung über die Verschiebung der Staatsausrufung ist längst gefällt“, weiß Talal Ukal, führender Aktivist der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) zu berichten. Aus Protest über die palästinensische „Scheindemokratie“, in der die verschiedenen Räte einberufen werden, um abzustimmen, während „Arafat sowieso schon seine Entscheidung gefällt hat“, boykottierte die PFLP die Sitzung des Zentralrats. „Für uns ist der Dialog mit Israel nun endgültig beendet.“

Auch die islamistische Palästinenserorganisation Hamas hatte sich für die Ausrufung eines Staates am 4. Mai ausgesprochen. Die Widerstandsbewegung, die keine Repräsentanten im Zentralrat hat, schickte auf Einladung Arafats Beobachter in die Sitzung in Gaza.

Während die Verschiebung der Staatsausrufung beschlossene Sache ist, wird die Festlegung eines Alternativdatums Angelegenheit von „fortgesetzten Verhandlungen“ sein, so vermutet der Zentralratsvorsitzende Salim Sanun.

Die Palästinenser reagieren mit der vorläufigen Verzögerung auf den internationalen Druck und Versprechungen. US-Präsident Bill Clinton wird versuchen, mehr Druck auf die israelische Regierung auszuüben, um den Friedensprozeß voranzutreiben und vor allem der unverändert andauernden israelischen Siedlungspolitik ein Ende zu machen. Aus Europa kam unterdessen erneut das Versprechen auf Unterstützung bei einer Lösungsfindung im Nahen Osten. Die Europäische Union bekräftigte zudem das palästinensische Recht auf Selbstbestimmung „mit der Option auf einen Staat“.

Die USA und Europa hatten die Palästinenser vor der Staatsausrufung am 4. Mai gewarnt, weil sie angesichts der am 17. Mai bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Israel kontraproduktiv wirken könnte. „Die internationale Opposition gegen die Staatsausrufung wird schwächer werden, wenn Netanjahu die Wahlen gewinnen sollte“, sieht auch Siad Abu Amar, Mitglied des palästinensischen Legislativrates, ein. Trotzdem sei es in jedem Fall sinnvoll, so schnell wie möglich zunächst formal den Staat zu erklären, um dann schrittweise konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Der Termin für neue palästinensische Parlamentswahlen müsse bestimmt und eine Kommission zur Formulierung des palästinensischen Grundgesetzes einberufen werden.

Während die PLO von Beginn ihrer politischen Formierung an auf das Recht der Selbstbestimmung der Palästinenser beharrte, wird hingegen die Staatsgründung selbst in der PLO-Nationalcharta aus dem Jahre 1964 mit keinem Wort erwähnt. Die Etablierung Palästinas auf nur einem Teilstück des Gebietes wurde über Jahrzehnte als Verrat am Kampf um das ganze Land empfunden. Als 1988 die PLO in Algier ihre berühmte Unabhängigkeitserklärung abgab und gleichzeitig die Existenz Israel anerkannte, riefen die palästinensischen Flüchtlinge vor allem in Syrien und im Libanon, die ihr Recht auf die Rückkehr in ihre Heimat bedroht sahen, in den Lagern einen Trauertag aus.

Das grundsätzliche Recht auf die Ausrufung eines Staates leiten die Palästinenser von dem UNO-Beschluß von 1947 ab, der die „Teilung Palästinas in einen arabischen, einen jüdischen Staat sowie in die Stadt Jerusalem“ vorsah. Ob mit oder ohne Staatsausrufung am 4. Mai. Arafat hat schon jetzt sein wichtigstes Ziel erreicht: Die Idee vom Staat Palästina ist tief ins Bewußtsein der Weltöffentlichkeit eingedrungen.

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