Pakistans Verwicklung in Rabbani-Attentat: Mehr als nur ein Streit unter Nachbarn
Kabul macht Pakistan für den Mord an Ex-Präsident Burhanuddin Rabbani verantwortlich. Der Chef des Friedensrats wurde vor einigen Tagen getötet.
ISLAMABAD taz | Siraj Haqqani ist eigentlich kein Mann, der Interviews gibt. Der afghanische Kriegsfürst ist Anführer einer schlagkräftigen Terroreinheit von aufständischen Kämpfern im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan. Auf seinen Kopf sind 5 Millionen US-Dollar Lösegeld ausgesetzt. Doch am Montag meldete Haqqani sich in einem aufgezeichneten Gespräch mit der britischen BBC zu Wort: Er will sich nicht beschuldigen lassen, hinter dem Mord an dem früheren afghanischen Expräsidenten Burhanuddin Rabbani zu stecken.
Rabbani, der als Chef des Friedensrates die Taliban an den Verhandlungstisch bringen sollte, war am 20. September in seinem Haus in Kabul von einem Selbstmordattentäter getötet worden, der sich als Friedensbote und Vermittler ausgegeben hatte. Der kaltblütige Mord versetzte Afghanistan in einen Schockzustand.
"Wir haben Burhanuddin Rabbani nicht getötet und unsere Sprecher […] haben dies viele Male gesagt", beteuerte Haqqani in der Audioaufzeichnung. Afghanistans Regierung wiederum macht offen Pakistan für den Tod Rabbanis verantwortlich. "Wir haben Beweise dafür, dass der Mord an Professor Rabbani in Qetta geplant wurde und dass ein pakistanischer Staatsbürger das Selbstmordattentat ausgeführt hat", hieß es in einer Erklärung des Präsidentenpalasts in Kabul.
Gespräche mit Taliban abgebrochen
Hunderte Afghanen hatten am Sonntag auf den Straßen der Hauptstadt gegen Pakistan protestiert. Die Demonstranten beschuldigten den Nachbarn, Verhandlungen zur Beendigung des zehnjährigen Krieges gegen die aufständischen Taliban zu sabotieren.
Afghanistans Präsident Hamid Karsai hatte nach dem Tod Rabbanis alle Gespräche mit den Taliban für beendet erklärt und gesagt, er wolle nun direkt mit Pakistan über die Zukunft Afghanistans reden. Afghanische Politiker sind seit Langem überzeugt, dass Islamabad nicht an einem friedlichen Afghanistan gelegen ist. Sie verdächtigen den pakistanischen Geheimdienst, islamistische Gruppen wie das Haqqani-Netzwerk zu unterstützen, um über sie Einfluss auf das Nachbarland zu nehmen.
Pakistan reagierte mit Verärgerung auf die Vorwürfe. Das Außenministerium nannte die Äußerungen "unverantwortlich". Afghanistan solle sich doch lieber fragen, warum alle Afghanen, die sich für Frieden einsetzen, systematisch aus dem Weg geräumt und getötet würden, hieß es in einer Erklärung. Gleichzeitig nahm das Ministerium den mächtigen pakistanischen Geheimdienst ISI gegen alle Anschuldigungen in Schutz, mit islamistischen Terroristen gemeinsame Sache zu machen.
Auch Siraj Haqqani, der Anführer der Terrorgruppe, hatte in seinem Interview mit der BBC beteuert, er werde nicht von Pakistan gesteuert und unterhalte keine Verbindung zum ISI. In der vergangenen Woche hatten die USA die Haqqanis und den ISI beschuldigt, systematisch amerikanische Ziele in Afghanistan anzugreifen, um so die Kriegsstrategie der USA zu hintertreiben. Washington will bis 2014 seine Truppen abziehen und sucht nach einem Ausweg aus dem frustrierenden Konflikt. Doch eine politische Lösung ist ohne Pakistan kaum zu haben. Das islamische Land sieht Afghanistan als strategisches Rückzugsgebiet und legitime Einflusssphäre, um sich gegen seinen Erzrivalen Indien abzusichern.
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