Pakistan: Bhuttos Magie
Hunderttausende Pakistaner begrüßten in Karachi Expremierministerin Benazir Bhutto, die nach acht Jahren Exil in ihre Heimat zurückkehrte.
Die frühere Premierministerin Benazir Bhutto ist am Donnerstag nach Pakistan zurückgekehrt, acht Jahre nachdem sie das Land wegen einer Korruptionsanklage verlassen hatte. Hunderttausende ihrer Anhänger begrüßten sie, als sie kurz vor Mittag mit einem Linienflug aus Dubai in der südpakistanischen Hafenstadt Karatschi landete. Bhutto war sich der Symbolik des Augenblicks bewusst. Sie war im Grün und Weiß der pakistanischen Nationalflagge gekleidet. An ihrer Hand hing eine Gebetsschnur, und sie brach in Tränen aus, als ein Mann den Koran über ihren Kopf hielt.
Statt per Helikopter oder mit dem bereitgestellten umgebauten kugelsicheren Containerfahrzeug fuhr sie auf einem Lastwagen mit offener, angehobener Ladefläche durch die Flughafenstraße zum Mausoleum des Staatsgründers Muhammad Ali Jinnah. Entlang der Straße standen dicht gedrängt ihre Anhänger, viele von ihnen mit grün-rot-schwarzen Parteiflaggen. Die Prozession mit hunderten von Bussen, bis auf die Dächer voller Menschen, kam immer wieder ins Stocken, weil Pakistani vor ihrem Fahrzeug tanzten. Während Karatschi ansonsten aussah wie an einem verkehrsarmen Sonntag, waren Bhuttos Fahrtroute und die Zufahrtsstraßen völlig blockiert. Mehrere Stunden nach der Landung hatte der Konvoi noch nicht einmal das Jinnahs Mausoleum erreicht, wo Bhutto ihre erste Rede halten wollte. Sie werde erst am nächsten Morgen in ihrer Familienresidenz in Meeresnähe erwartet, hieß es.
Das Erstaunlichste an dieser Heimkehr war neben der Begeisterung der Menge die Reaktion der Sicherheitskräfte. Schon lange vor Bhuttos Landung wurden die Absperrungen im Umfeld des Flughafens geöffnet. Tausende Bhutto-Anhänger strömten bis zum Terminal. Dies war für die Polizei offenbar das Signal, das Feld den Feiernden zu überlassen.
Karatschi ist eine der gewalttätigsten Städte der Welt, und es bestehen kaum Zweifel, dass in ihr auch zahlreiche Al-Qaida-Zellen operieren. Bhutto hatte vor ihrer Abreise Sorgen um die eigene Sicherheit geäußert, und sie weiß, dass sie viele Todfeinde hat - von Politikern bis zu Terrorgruppen.
Selbst die regierende Regionalpartei MQM, traditionelle Gegnerin von Bhuttos PPP, begrüßte Bhuttos Ankunft. Die lockeren Polizeikontrollen und die Abwesenheit gegnerischer Sticheleien verstärkten eine friedliche Festatmosphäre, wie sie die Stadt lange nicht erlebt hat. Sie führte zu einem vielleicht kurzfristigen Aufflackern der alten Bhutto-Magie, die in den 80er-Jahren beinahe messianische Formen angenommen hatte. "Allah hat ihr den Weg in ihre Heimat geebnet, und sie wird uns und das ganze Land retten," erklärte ein tanzender Anhänger. Alle Vorwürfe und früheren Enttäuschungen schienen wie weggewischt.
Auch Vertreter der Regierung hießen die Politikerin willkommen, nachdem sie ihr die Rückkehr erleichtert hatten. Bei ihren ersten Kontakten mit den Medien ging Bhutto Fragen über mögliche Parteiallianzen für den kommenden Wahlkampf aus dem Weg. Sie sei gekommen, um die Demokratie nach Pakistan zurückzubringen, sagte sie immer wieder. Außerdem griff sie die Schlagworte wieder auf, die auch die Rhetorik ihrer früheren Karriere gekennzeichnet hatten: Engagement gegen die Armut, Erziehung, namentlich Frauenerziehung, Kampf gegen jede Form von Extremismus.
Auffallend waren die harschen Kommentare der Vertreter ihres traditionellen Gegenspielers Nawaz Sharif. Sein Bruder Shahbaz warf Bhutto vor, die Demokratie verraten zu haben, indem sie sich mit Diktator Musharraf arrangiert habe. Die unterschiedlichen Reaktionen lassen noch keine Schlüsse auf künftige Allianzen Bhuttos zu - aber sie zeigen doch schon erste Trennlinien.
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