Päpstliche Nachfolgerdiskussion: Ein echter Global Player
Das künftige Oberhaupt der Katholiken könnte aus Afrika, Asien oder Lateinamerika kommen. Dort entscheidet sich das Schicksal der römischen Kirche.
BERLIN taz | Wenn sich die etwa 100 Kardinäle der katholischen Kirche demnächst in der Sixtinischen Kapelle in Rom zur Wahl eines neuen Papstes treffen, haben sie nur zwei Optionen: zurück in die Vergangenheit – oder zurück in die Zukunft.
Ein Schritt in die Vergangenheit wäre die Wahl eines italienischen Papstes: Das Amt – ursprünglich und zunächst einmal Bischof von Rom – haben Italiener jahrhundertelang dominiert, bis es schließlich an einen Polen und zuletzt an einen Deutschen fiel.
Einen Aufbruch in die Zukunft würde es bedeuten, wenn das Konklave nun einen Kandidaten aus einem nichteuropäischen Land an die Spitze setzte.
Aber zurück geht es auf jeden Fall: Tief greifende liberale Reformen (Frauen als Priester, Ökumene, Demokratisierung der Kirche) stehen nicht auf dem Programm. Das liegt zum großen Teil daran, dass die Kardinäle zwar demokratisch einen absoluten Herrscher aus ihren Reihen wählen. Sein Herrschaftsapparat, die „Kurie“, bleibt jedoch praktisch unverändert. Und die enormen Beharrungskräfte dieser konservativen Gruppe ersticken viele Reformideen schon im Keim. Wer etwas verändern will, muss es mit der Kurie schaffen – eine Aufgabe, an der Benedikt XVI. gescheitert ist.
In den kommenden Wochen werden die Kardinäle in Rom zusammengerufen, um einen neuen Papst aus ihren Reihen zu wählen, der nicht älter als 80 Jahre sein darf.
Zu den möglichen Kandidaten, die in der römischen Kurie als „papabili“ - papstfähig - gelten, zählt die katholische Webseite Tablet:
den Italiener Kardinal Angelo Scola (geboren am 7. November 1941), Erzbischof in Mailand;
den Brasilianer Kardinal Odilo Pedro Scherer (geboren am 21. September 1949), Erzbischof von São Paulo;
den aus Ghana stammenden Kardinal Peter Turkson (geboren am 11. Oktober 1948), Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden,
den Honduraner Kardinal Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga SDB (geboren am 29. Dezember 1942), Erzbischof von Tegucigalpa;
den österreichischen Kardinal Christoph Schönborn OP (geboren am 22. Januar 1945), Erzbischof von Wien;
den Italiener Kardinal Gianfranco Ravasi (geboren am 18. Oktober 1942), Präsident des Päpstlichen Rates für Kultur,
den italienisch-argentinischen Kardinal Leonardo Sandri (geboren 18. November 1943);
und den französisch-kanadischen Kardinal Marc Ouellet SSP (geboren am 8. Juni 1944), der die Bischofskongregation seit 2010 leitet.
Der künftige Papst braucht wieder eine Zweidrittelmehrheit im Konklave. Den Passus, dass eine einfache Mehrheit ausreichen könnte, hat Benedikt wieder zurückgenommen. Nach einer Analyse des katholischen Magazins The Tablet benötigt der Wahlsieger die etwa 30 Stimmen der Italiener in der Kurie. Zudem muss er sowohl für Konservative als auch für Reformer wählbar sein. Unter den aussichtsreichen Kandidaten werden wenige Italiener und zum ersten Mal relativ viele Nichteuropäer genannt.
Hauptgegner Freikirchen
Die Gründe dafür sind die Missbrauchsskandale. Dem Ruf der Kirche wurde dadurch vor allem in Deutschland, Irland und den USA schwer geschadet. Die Italiener haben sich im Zuge der „Vatileaks“-Affäre als so zerstritten offenbart, dass sie als Machtblock für manche Beobachter zerbröckelt sind.
Ein Kandidat aus der „Dritten Welt“ hätte zwei große Vorteile: Er käme aus einer Region, in der der sich der Katholizismus stark verbreitet und sich aus Sicht der römischen Diplomaten das Schicksal der Kirche entscheidet.
In Rom gelten die Katholiken Deutschlands und anderer westlicher Industrienationen oft als zu liberal und zu angepasst an den materialistischen Zeitgeist, wie Benedikt XVI. etwa bei seinem Deutschlandbesuch 2011 klargemacht hat. Die Zukunftsaufgaben der Kirche liegen danach in der Auseinandersetzung mit den evangelikalen Freikirchen, die ihr – mit ihrer aggressiven kapitalistischen Heilsbotschaft vor allem in Afrika und Lateinamerika – die Schäfchen abspenstig machen.
Auch richtet sich der Blick Roms immer häufiger auf China, wo neben der romtreuen „Untergrundkirche“ Millionen von Katholiken in einer staatstreuen Kirche beten, die Rom gern wieder in eigener Regie führen würde. In Afrika, Asien und Lateinamerika garantiert die Kirche in manchen Gegenden ein soziales Netz, das die Staaten nicht bieten. In diesen Gegenden gibt es keinen Priestermangel und keine leeren Kirchen: Im letzten Jahrzehnt hat die Zahl der Katholiken etwa in Afrika um ein Drittel zugenommen, die Zahl der Priester um 20 Prozent.
Ein echter Global Player
Die katholische Kirche ist ein echter Global Prayer: Mit weltweit 1,2 Milliarden Gläubigen ist ihre Mitgliederschaft in den letzten Jahren so schnell gewachsen wie die Weltbevölkerung. 17 Prozent aller Menschen auf der Erde sind Katholiken. Die katholische Kirche verfügt über 400.000 Priester, Missionswerke, eine straffe Verwaltung. Der britische Economist schätzt ihren Jahresetat auf ca. 300 Milliarden Dollar.
In dieser Situation gelten vielen in Rom die Sorgen der liberalen deutschen Katholiken als zweitrangig. Sie sehen die Toleranz gegenüber den rechtskonservativen „Piusbrüdern“ als einen Prüfstein dafür, wie eine Ökumene mit den Kirchen der Orthodoxie erleichtert werden könnte. Mit der autoritären Kirche etwa in Russland hat die römische Kirche viel weniger Berührungsängste als sie etwa mit der linken Theologie der Befreiung in Lateinamerika hatte. Auch das lange Schweigen Roms zu den Massakern der syrischen Regierung am eigenen Volk folgt der Logik der Kirchendiplomaten, die für die Katholiken in Syrien nach einem Sieg der islamischen Revolution noch größere Probleme befürchten.
„Endlich mal einen Papst aus Afrika, Asien oder Amerika“ hält Wolfgang Kessler, Chefredakteur des christlichen PublikForums, für denkbar. Der stünde unter großem Druck, den Erwartungen der konservativen Kurie zu entsprechen, sagt Kessler: „Der wäre päpstlicher als der Papst.“
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