PRONKS KOMPROMISSVORSCHLAG AN DIE WELTKLIMAKONFERENZ: An die Wand gefahren
War es das wert? Der Diplomatie den Klimaschutz zu opfern? Donnerstagnacht hatte der niederländische Umweltminister Jan Pronk, Präsident der Weltklimakonferenz, einen heiß erwarteten Kompromissvorschlag gemacht. Er ermahnte die Delegierten, erst sorgfältig zu lesen und dann zu reagieren – und kündigte an, sein Vorstoß werde jedem ein bisschen wehtun. Doch wehtun ist kein Ausdruck für den Frust, den das Papier auslöste. Die EU lehnte wütend ab, die Stimmung war vergiftet. Pronk hat die Verhandlungen an die Wand gefahren. Wenn seine Idee durchkommt, hat er nicht nur dem Klimaschutz geschadet, sondern sich auch auf ein diplomatisches Minenfeld begeben.
Die Frage ist: Warum? Pronks ganz persönliches Ziel war wohl, die bockenden USA wieder mit ins Boot zu kriegen. Das Stöhnen der amerikanischen Delegierten über den Vorschlag ist politische Strategie. De facto ist allen US-Vorschlägen durch die windelweichen Formulierungen Pronks eine Vorlage gemacht worden. Nur scheint der dabei vergessen zu haben, dass ein Einverständnis der Amerikaner in Den Haag noch lange nicht bedeutet, dass der Senat das Protokoll dann auch ratifiziert. Auf der anderen Seite hat Pronk die EU verärgert, und es ist ziemlich klar, welche Konsequenzen die Europäer daraus ziehen könnten: Wenn das Ergebnis von Den Haag nicht mal dazu führt, dass die Emissionen sinken, dann braucht man das Kioto-Protokoll auch nicht zu ratifizieren.
Dass es ausgerechnet der Minister eines EU-Landes ist, der die Kollegen die Wände hochgehen lässt, ist dabei ein pikanter Nebenaspekt. Die zweite Interpretationsmöglichkeit für Pronks Vorgehen wäre, dass es glatte Absicht war: Seit gestern gibt es einen Sündenbock namens Pronk und nicht mehr nur böse Amerikaner. Die beiden großen Blöcke, die USA und Europa, haben die Chance, Pronk gemeinsam zu zeigen, wie echter Klimaschutz aussieht – eine eher utopische Vision.
Was auch immer in Pronks Kopf vorgeht: Er geht auf ausgetretenen Pfaden. Die Verhandlungen drehen sich ja kaum noch um Klimaschutz. Es geht um Machtspiele, Interessenschutz, darum, wer die geschicktesten diplomatischen Manöver zur Selbstdarstellung fährt, und die Konstruktion von Hintertüren, um doch nichts tun zu müssen. Pronk wird Mühen haben, nach seinem ungeschickten Vorstoß überhaupt noch ein akzeptables Ergebnis herbeizuführen. MAIKE RADEMAKER
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