: PERESTROIKA LIVE
■ taz-LeserInnenreise im August nach Estland
Zugpferd für die Perestroika oder Sand im Getriebe? Das fragt sich so manche/r in diesen Tagen über die baltischen Republiken. War die Gründung der estnischen Volksfront 1988 (und kurze Zeit später der litauischen und lettischen) noch eindeutig der ersten Alternative zuzurechnen, überwiegt heute die Einschätzung, daß die Balten zu schnell zu weit gehen. Alternative und Linke hierzulande, die sich gegen den eigenen teutschen Wahn für eine multikulturelle Gesellschaft stark machen, beschleicht Horror, wenn Nationales so unumwunden zur positiven Identifikationsgröße wird.
Wer möchte sich da nicht einen eigenen Eindruck verschaffen?
Möglich wird's durch eine Reise der taz für ihre Leserinnen und Leser nach Leningrad, Narva und Tallinn.
In Zusammenarbeit mit der SOKOM, UdSSR-Studienreisen GmbH in Köln, der „Assoziation Soziale Programme“ in Moskau und dem Stadtmuseum in Narva/Estland wird eine Tour von fünf Tagen mit einem umfangreichen Programm angeboten:
Neben der Besichtigung der genannten drei Städte und dem Kennenlernen der wechselvollen estnischen Geschichte, an der auch die Deutschen - zumeist wenig rühmlichen - Anteil hatten, soll die aktuelle politische Diskussion im Vordergrund stehen. Vorgesehen sind „Runde-Tisch -Diskussionen“ mit:
-informellen Gruppen in Leningrad zum Thema Nationale Beziehungen in der Perestroika,
-mit örtlichen Abgeordneten und VertreterInnen der ökologischen Bewegung aus Narva. Hier wird es nicht nur um die „nationale Frage“ in einer mehrheitlich russischen Stadt der Republik Estland gehen, sondern auch um die Probleme der Kommunalpolitik und der Ökologiepolitik vor Ort, der sich die ersten demokratisch gewählten Ortssowjets gegenübersehen;
-VertreterInnen gesellschaftlicher Organisationen und Parteien in Tallinn über die Situation in der neuausgerufenen „Republik Estland“ intern und in ihrem Verhältnis zur sowjetischen Zentralregierung und zu den anderen baltischen Republiken.
Standort für die Gruppe wird Narva sein, das als russische Stadt zusammen mit dem 15 Kilometer entfernt an der Küste gelegenen Kurort Narva-Ijessu einen autonomen Status in der estnischen Republik anstrebt. Insbesondere in der Holzarchitektur der Häuser in Narva-Ijessu ist das Nebeneinander von estnischer und russischer Kultur augenfällig. Dagegen zeugt die Konfrontation der Burg von Narva, am linken Ufer des gleichnamigen Flusses mit der russischen Festung Ivangorod auf der anderen Seite von den Konflikten mit den Dänen, dem livländischen Ritterorden, den Schweden und den Russen, die alle nacheinander Estland beherrschten. Die Ausstellungen des Stadtmuseums in der Burg von Narva zeigen Lebensweisen und Kulturen der Region und geben durch Fotomaterial einen Eindruck vom alten Narva einer Stadt, die in vielem einem klei nen Tallinn glich, bevor sie durch die deutsche Okkupation im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört wurde.
Von Narva aus fährt die Gruppe nach Leningrad und Tallinn, wo jeweils, außer den erwähnten Diskussionen, auch eine Besichtigung der Stadt stattfindet. Neben der Stadtrundfahrt steht im „Venedig des Nordens“ auch ein Besuch der Ermitage auf dem Programm. In der weitgehend restaurierten Tallinner Altstadt wird vor allem die Hansezeit wieder lebendig. Und unbedingt als sowjetische Rarität erwähnenswert - hier und da gibt es sogar ein Cafehaus.
An den „diskussionsfreien“ Abenden wird in der Burg in Narva ein Unterhaltungsprogramm angeboten; dies und auch das, was trotz der Dichte des Programms an freier Zeit bleibt, dient hoffentlich dem informellen Kennenlernen, was ja nicht das Unwichtigste auf einer solchen Reise ist.
Die Reise findet statt vom 2. bis 6. August und kostet 980DM, alles inclusive.
Anmeldungen: SOKOM GmbH, Hohenstaufenring 12, 5000 Köln 1, 0221/242435, Fax: 0221/232823.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen