PARTEITAG: Die Linke schlägt zurück
Linkspartei beschließt Wahlprogramm und will Nachtflugverbot am BBI ausweiten. Angebot an die SPD: Fortsetzung der rot-roten Koalition nach der Wahl.
Der Streit in der rot-roten Koalition hat am Sonntag auch den Landesparteitag der Linkspartei geprägt. In der Diskussion über ihr Programm für die kommende Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September wehrte sich die Partei gegen die SPD, welche den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor (ÖBS) in Frage stellt.
Diese Debatte hatte am Wochenende neue Nahrung erhalten, weil der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) in heftiger Weise den ÖBS attackierte. "Die Kritik am ÖBS ist, dass dieses Programm einige wenige privilegiert, viele andere aber ausschließt", sagte er in einem Zeitungsinterview.
Wie ein Gegenschlag wirkte es da, dass die Linkspartei sich nun für ein ausgedehntes Nachtflugverbot am geplanten Flughafen BBI - 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr statt Mitternacht bis 5.00 Uhr - aussprechen will (Abstimmung nach Redaktionsschluss). Dies ist im SPD-Programmentwurf nicht vorgesehen.
Auf vielen Tischen des Tagungshotels in Mitte ist an diesem Sonntagvormittag nicht das Neue Deutschland, sondern die wenig Linken-nahe Berliner Morgenpost aufgeschlagen. Darin hat Wowereit in einem Interview seinen Koalitionspartner mehrfach attackiert. Zum einen macht er klar, dass bei den laufenden Verhandlungen über einem Rückkauf der Wasserbetriebe nicht Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke), sondern der von der SPD-Finanzsenator das Sagen habe. Darüber hinaus spricht Wowereit davon, es komme "automatisch" zu niedrigeren Wasserpreisen und nicht auf Drängen von Wolf. Und letztlich stellt er fest, wenn Wolf der Auffassung sei, dass die Wasserpreise rechtlich nicht zulässig seien, "dann hätte er als Aufsichtsratsvorsitzender intervenieren müssen. Das hat er nicht getan."
Gemessen daran fallt die Reaktion von Landesparteichef Klaus Lederer gemäßigt aus.
Statt zurückzuholzen, verteidigt er nüchtern den ÖBS und stellt fest: Wowereit brauche die Linkspartei, weil dieser sich derzeit mit all dem schmücken würde, was die Linke in die Wege leitete. "Und wenn er das 2016 wieder tun will, muss er ja jemanden haben, der dazu die Inhalte liefert." Das sei schließlich der Parteitag der Linkspartei, da kümmere man sich um seine eigenen Inhalte und nicht um andere, erklärte Lederer der taz, warum er Wowereit nicht stärker anging.
Nach seiner Logik hängt Wowereit von den Linken ab. Berlin sei eben nicht Hamburg, sagte er. Andere Koalitionen wie Rot-Grün oder Rot-Schwarz stehen für Lederer für "Abbruchpolitik", zu der Rot-Rot ein Gegenmodell bilde. Die CDU hatte der SPD jüngst Avancen gemacht und auf Übereinstimmung beim Weiterbau der A 100 und beim Flughafen BBI verwiesen. "Ich glaube nicht, dass die SPD ernsthaft auf ein Bündnis mit der CDU schielt", sagt Lederer, "ich hoffe es jedenfalls nicht."
Kämpferischer gegenüber der SPD und ihrer ablehnenden Haltung zum ÖBS tritt Wirtschaftssenator Harald Wolf auf, den die Partei in zwei Wochen zu ihrem Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl machen will. "Der ÖBS muss nicht nur erhalten bleiben, er muss nach den nächsten Wahlen ausgebaut werden", sagt Wolf. Die SPD nennt er "die Hartz-IV-Partei" und "die Partei der Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen."
Im parteiinternen Streit um den Umgang mit den Wasserbetrieben (BWB) und den Ausgang des Volksentscheids spricht sich der Bundesvorsitzende Klaus Ernst als Gast dafür aus, auf den "Wassertisch" zuzugehen. "Es ist für uns ganz wichtig, mit solchen Initiativen ein gutes Verhältnis zu pflegen", sagt er. Der Bezirksvorstand der Linkspartei in Neukölln fordert, die laufenden Rückkaufverhandlungen über BWB-Anteile zu unterbrechen und die Wasserverträge von 1999 juristisch anzufechten, kann sich aber damit bei den rund 150 Delegierten nicht durchsetzen.
Ein von Parteichef Lederer vorgeschlagenes Genossenschaftsmodell bei der Wasserversorgung hatten die Neuköllner als "untauglich" abgelehnt. Lederer kontert: Man habe die Nähe zum Wassertisch durchaus gesucht. "Dass eine gemeinsame Strategie nicht zu vereinbaren war, liegt nicht an uns." Sobald die Initiative einen handhabbaren Vorschlag mache, die Verträge anzufechten, werde man das unterstützen. Klar sei aber, dass eins nicht gehe: "Ein Blankoscheck für den Wassertisch".
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