piwik no script img

Osterhase soll auf die Rote Liste

■ Bundesamt für Naturschutz hält den Feldhasen für stark bedrohte Art

Wenn Kinder zu kommenden Osterfesten noch lebende Feldhasen sehen wollen, müssen sich Naturschutzbehörden, Wissenschaftler sowie Jagd- und Landwirtschaftsverbände beeilen und sich stärker für die graubraunen Langohren einsetzen. Mehr Schutz für den hoppelnden Wald- und Wiesenbewohner, der vor rund 200 Jahren Symbolfigur des Osterfestes wurde, ist nötig. Er wird in Feld und Flur immer seltener gesichtet, berichten Wissenschaftler und Jäger.

„Der Feldhase ist gefährdet, das ist unbestritten“, sagte auf Anfrage der Sprecher des Bundesamtes für Naturschutz in Bonn, Jürgen Jakobs. „Wir haben aus einzelnen Bundesländern alarmierende Hinweise dafür, daß er in vielen Gebieten Deutschlands stark zurückgeht oder überhaupt nicht mehr vorkommt.“ Nur in Sachsen und Thüringen fühlten sich die Hasen noch wohl.

Die Behörde will jetzt angeforderte Hasen-Verbreitungskataster aus den zuständigen Länderministerien auswerten. „Es spricht vieles dafür, daß wir den Feldhasen dann auf die Rote Liste für bedrohte Tierarten setzen. Die Entscheidung fällt im Sommer“, glaubt Jakobs.

Ein wirklich wirksamer Schutz für den Mümmelmann und ein „rechtsverbindliches Instrument“ für sein Überleben sei diese Liste jedoch nicht. „Das letzte Wort haben dann immer noch die Landwirtschaftsminister der Länder. Sie können, aber müssen diese Liste nicht zu ihren Entscheidungen heranziehen, wenn es etwa um die Bejagung, Flurbereinigung oder Bracheprogramme geht.“

Der Wildbiologe Eberhard Schneider vom Fachbereich Forstwirtschaft der Fachhochschule Hildesheim-Holzminden in Göttingen hat einen Wechsel von vier schlechten und einem guten „Hasenjahr“ nachgewiesen. Dies sei durch die Aufzeichnung von Abschußzahlen in den vergangenen 300 Jahren europäischer Jagdgeschichte bewiesen worden, sagte der Hasenspezialist. Unabhängig davon habe sich die Zahl der gejagten Hasen in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren jedoch kontinuierlich von zwei Millionen Anfang 1960 auf rund 570 000 in der Jagdsaison 1992/93 verringert. Mehrere zehntausend seien in der Vergangenheit jährlich dem Straßenverkehr zum Opfer gefallen.

Doch weder Autos noch Treibjagden seien des Hasen Tod. Durch Überdüngung gingen in landwirtschaftlichen Bereichen mehr Pflanzen zugrunde als durch Pestizide. Der Hase fresse als Ersatz die viel zu stickstoff- und eiweißreichen Kulturpflanzen. Doch das vor 2 000 Jahren aus den Steppen Osteuropas und Vorderasiens eingewanderte Pelztier könne diese Ackerpflanzen kaum verdauen, beobachtete Schneider. „Sie verhungern bei vollem Magen. Das haben rechtzeitig gestoppte Fütterungsversuche in unserem Institut gezeigt.“

Die großflächigen Flurbereinigungen, der Grünlandumbruch, Monokulturen, das Abhacken von Hecken und Abholzen von Wäldern hätten dem Hasen nicht nur den sicheren Deckungsraum vor angreifenden Raubvögeln, sondern auch die ausreichende Äsung genommen, meint er. Schneider fordert deshalb den sofortigen mehrjährigen Schutz für die Feldhasen. „Da könnten die Jäger doch einmal beweisen, daß sie Tierschützer sind.“ An die Landwirte appellierte der Wissenschaftler: „Laßt mehr Hecken stehen, sät artenreichere Gräser und pflügt nicht jeden kleinen Graben zu.“

Werner H. T. Fuhrmann (dpa)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen