Ostdeutsche Bürgermeister: "Herablassung ist unangebracht"
Dennoch sind ostdeutsche Bürgermeister im Kampf gegen rechts oft überfordert, sagt der Dresdner Politologe Patzelt.
taz: Herr Patzelt, es sieht so aus, als würden die Bürgermeister den Rechtsextremismus in Ostdeutschland verniedlichen. Sind die überfordert?
Werner Patzelt: Westdeutsche Herablassung ist hier ganz unangebracht. Die ostdeutschen Kommunalpolitiker haben seit der friedlichen Revolution einen guten Job gemacht. Wenn es zu Ausländerfeindlichkeit kommt, stehen die meisten westdeutschen Kleinstadtbürgermeister wohl nicht besser da als der unglückliche Bürgermeister von Mügeln.
Unglücklich? Wollen Sie den ostdeutschen Kommunalpolitikern einen Freibrief ausstellen?
Nein, aber Bürgermeister sind oft hilflos, wenn sie plötzlich die Aufmerksamkeit ganz Deutschlands, ja Europas auf sich gerichtet sehen. Dann zeigt sich, dass die Vorsteher von Gemeinden im Umgang mit überregionalen Medien nicht genug Erfahrung haben. Persönliche Ungeschicklichkeit und das nach Skandalen suchende Verhalten der Medien können da in sehr unglücklicher Weise zusammenkommen.
Auch Kommunalpolitiker müssen das in einer Mediengesellschaft doch können.
Eigentlich schon. Nur funktioniert kommunale Öffentlichkeit normalerweise anders. Es ist doch sympathisch, wenn der Bürgermeister im Gespräch mit Journalisten unbefangen ist. Politische Krisen kommen im kommunalen Alltag kaum vor, und man kann sich auf sie nicht mit Sprechzetteln vorbereiten. Wir werden also damit leben müssen, dass außergewöhnliche Vorkommnisse zu kommunikativen Ungeschicklichkeiten führen - man sollte da nachsichtig sein.
Darf man bei Ausländerfeindlichkeit nachsichtig sein?
Nein! Aber in den Gemeinderäten auf dem flachen Land sitzen nun einmal nicht viele politische Genies. Das sind redliche Mitbürger, die sich neben ihrem Beruf auf Politik einlassen - im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
Die NPD gehört in vielen ostdeutschen Kommunen aber zu diesen Möglichkeiten.
Die Bürgermeister sind fit, wenn es um Probleme wie den Straßenbau oder die Abwasserentsorgung geht. Aber sie geraten an ihre Grenzen bei so komplizierten Herausforderungen wie der rechtsradikalen Szenerie. Auch gibt es große Lücken, wenn die Kommune mit Schule und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten soll. Schulleiter sperren sich doch in der Regel gegen die Vermutung, dass es bei ihnen rechtsradikale Umtriebe gebe. Dann ist es für den Bürgermeister nicht leicht, Netzwerke etwa zwischen der Schule, der Feuerwehr und den Sportvereinen herzustellen. Da wird der Kampf gegen den Rechtsradikalismus und seinen Nachwuchs schon vom Ansatz her schwer.
Das Problem ist nicht neu.
Von daher wissen wir aber, dass Extremismus meist keine genuin politisch veranlasste Haltung ist. Neben sozialen Problemen spielen auch persönliche Unerzogenheit, Gewaltbereitschaft und Ich-Schwäche hinein. Das ist präventiv schwer in den Griff zu bekommen. Da ist mancher Kommunalpolitiker rasch überfordert, wenn er wirklich handeln soll. Es gibt einfach nicht die eine vorrangige Ursache, an der man zielgerichtet ansetzen könnte.
INTERVIEW: PETRA KILIAN
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