: Ost-Mark im Tief - lohnt IWF-Beitritt?
■ Teilweise nur noch eine DM für 20 Ost-M / DDR-Wissenschaftler für Währungsreform, „Sonderzonen“ und Prüfung des IWF-Beitritts
Berlin (taz) - Freie Wechselkurse sind eine sensible Angelegenheit. Diese Erfahrung muß jetzt auch die DDR machen. Unbeschadet dessen, daß der Wert ihrer Mark nur auf dem Schwarzmarkt frei „floatet“ und offiziell vorerst bei 1:1 zur D-Mark festgezurrt bleibt: Zunehmend geht die Angst um vor einem gehörigen Kurssturz, so daß schon wieder Durchhalteparolen laut werden.
„Keine Gefahr für Abwertung der Mark“ titelte gestern die Ostberliner 'Neue Zeit‘ frohgemut unter Bezug auf den „amtierenden Finanzminister der DDR Ernst Höfer“. Angebot und Nachfrage in den Westberliner und vor allem westdeutschen Wechselstuben sprechen eine andere Sprache. Bei der DG-Bank in München gab's nur mehr 4,50, wenn man 100 Ost-Mark auf den Tresen legte. Damit wäre das Verhältnis 1:20 unterschritten. In West-Berlin waren die Kurse etwas freundlicher. Allerdings sind hier einzelne Banken dazu übergegangen, Ost-Mark bei größeren Beträgen nur noch gegen Vorlage des DDR-Personalausweises anzunehmen, über 5.000 Ost -Mark läuft bei der Deutschen Bank nichts mehr.
Seit Beginn der Woche, als noch elf West-Mark für 100 Ost -Mark galten, ist die DDR-Mark damit immer tiefer gesunken. Die Gründe liegen dabei nicht nur in einem kontinuierlichen Angebotsschub von geschmuggelter Ost-Mark seitens der DDR -Besucher. Die Banker erklären übereinstimmend, daß die Nachfrage nach DDR-Mark dem stets schritthalten könne, wer immer dahinterstecke. Ganz offenbar wird die DDR-Mark trotz stetiger Nachfrage durch die Kundschaft von den Banken nur noch mit spitzen Fingern angefaßt. „Die Banken wollen sie eben nicht mehr, man wird vorsichtiger“, erklärt der Sprecher der Verkehrskreditbank in Frankfurt. Entscheidend dürfte die Tatsache sein, daß die Geldinstitute jetzt nicht mehr bereit sind, eine Abnahme- und Kursgarantie für die Ost -Mark gegenüber den Kaufhäusern und Tankstellen abzugeben. Aufgrund einer entsprechenden Zusage hatte noch am vergangenen Wochenende der bundesdeutsche Einzelhandel den DDR-Besuchern den Einkauf zum runden Kurs von 1:10 ermöglicht.
Unterdessen werden die Vorschläge zur Wirtschafts- und Währungsreform aus der DDR-Wissenschaft immer radikaler. Uwe Schmidt vom Zentralinstitut für Wirtschaftswissenschaften der Akademie der Wissenschaften fordert unverblümt eine Währungsreform. „Ihr Ziel besteht im Übergang zu einer neuen, frei konvertierbaren Mark der DDR mit einem stabilen Wechselkurs zu den westeuropäischen Leitwährungen.“ Die Professoren Kulke-Fiedler und Nitz vom Institut für internationale Politik und Wirtschaft (IPW) wollen andere Tabus brechen: „Zeitgemäße, dem Trend entsprechende Kooperationsformen“ wie Joint-ventures müßten her, ebenso „Wirtschaftssonderzonen“ (darunter werden Gebiete mit Sonderbegünstigungen für ausländische Unternehmen verstanden). Außerdem: „Die gewissenhafte Prüfung eines möglichen Beitritts in IWF und Weltbank.“ Wichtiger, gleichwohl leichter dürfte anderes zu realisieren sein: „Darlegung der Außenhandelsbilanz.“
ulk
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