piwik no script img

Oskar schießt den Vogel ab

Der SPD-Parteivorsitzende will sein Amt demnächst an den Saarländer abtreten / Damit scheint Oskar Lafontaines weitere Kanzlerkandidatur gesichert / Im Gegenzug verzichtet der Saarländische Ministerpräsident auf Erfüllung seiner Forderungen beim Staatsvertrag  ■  Aus Bonn Ferdos Forudastan

Oskar Lafontaine bleibt Kanzlerkandidat der SPD und wird in absehbarer Zeit von Hans-Jochen Vogel für den Posten des künftigen gesamtdeutschen Parteivorsitzenden vorgeschlagen werden. Wie aus Kreisen der SPD (West) verbindlich zu hören war, machte der amtierende SPD-Chef Vogel dem saarländischen Ministerpräsidenten dieses Angebot während eines Telefonats gestern vormittag.

Die Entscheidung darüber, wann er Lafontaine offiziell für den Parteivorsitz vorschlagen wird, hat sich Vogel vorbehalten. Voraussichtlich wird der SPD-Kanzlerkandidat noch in dieser Woche öffentlich auftreten. Vor der Presse in Bonn ließ Vogel gestern nachmittag noch nicht erkennen, daß er den Parteivorsitz an Lafontaine abtreten wird. Er bezeichnete lediglich als „Gewißheit“, was er vorgestern noch „Eindruck“ genannt hatte: „Oskar Lafontaine wird den Wahlkampf als Kanzlerkandidat führen.“

Schon am Wochenende hatten Sozialdemokraten inoffiziell verlauten lassen, wenn der Saarländer Kanzlerkandidat bliebe, werde er auch gegen Hans-Jochen Vogel um den Parteivorsitz kämpfen. Diesen Machtkampf anzukündigen, scheint ausgereicht zu haben, ihn zu entscheiden. Zwar wird aus der SPD heraus verbreitet, daß Vogel „solidarisch“ und „keineswegs verbittert“ verzichtet. Tatsächlich tritt Vogel den Parteivorsitz auch nicht ohne Gegenleistung an Lafontaine ab: Entgegen Forderungen Lafontaines aus den letzten Wochen wird die SPD-Bundestagsfraktion nächste Woche höchstwahrscheinlich nicht gegen den Staatsvertrag stimmen.

Im Bundesrat werden die sozialdemokratischen Länder ihn passieren lassen, auch wenn die Bundesregierung nicht alle Nachbesserungswünsche erfüllt. Dies wird aus einer Erklärung des SPD-Präsidiums deutlich, die Hans-Jochen Vogel gestern auf der Pressekonferenz vorstellte: Den Staatsvertrag jetzt noch scheitern zu lassen, würde ein unbeherrschbares Chaos zur Folge haben, verlas Vogel. Sprich, man wird dem Staatsvertrag im entscheidenden Gremium, dem Bundesrat, zustimmen.

Außerdem stellte Vogel besonders heraus, daß in den Verhandlungen zwischen den Sozialdemokraten und der Bundesregierung „wahrnehmbare Verbesserungen“ des Staatsvertrages zugesagt worden seien - etwa die Überlebensfähigkeit von Betrieben und Maßnahmen zum Schutz der Umwelt.

Was Vogel nicht erwähnte: Entscheidende Kritikpunkte der Sozialdemokraten - beispielsweise Umstrukturierungshilfen für sanierungsfähige Betriebe - will die Bundesregierung offensichtlich nicht berücksichtigen. Heute verhandeln SPD und Bundesregierung ein letztes Mal über die Nachbesserungswünsche der Sozialdemokraten. Offiziell wollen die SPD-Fraktions- und Parteispitzen am Donnerstag „im Lichte der Antworten der Bundesregierung“ die Entscheidung über das weitere Verhalten zum Staatsvertrag treffen. Kommentar Seite 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen