Osama bin Ladens Heimat: Vom Fluch befreit

In bin Ladens ursprünglichem Heimatland Saudi-Arabien herrscht Erleichterung über seinen Tod. Al-Qaida ist dort kaum existent – im Jemen dafür umso mehr.

Auch in Riad die Top-Nachricht: Osama bin Ladens Tod. Bild: reuters

RIAD taz | Das kollektive Aufatmen war deutlich: "Ich fühle mich erleichtert wegen meiner Religion und wegen der Zukunft der arabischen Welt", twitterte der bekannte saudische Journalist Jamal Kashoggi, kurz nachdem die Nachricht von Osama bin Ladens Tod bekannt wurde. Und die Tageszeitung Arab News, das Sprachrohr Saudi Arabiens im Westen, kommentierte, bin Ladens Tod fühle sich an "wie die Aufhebung eines Fluchs".

Nach dem 11. September 2001 war es heikel, in Saudi-Arabien über bin Laden zu sprechen. Weil es sich bei 15 der 19 Flugzeugentführer um Saudis handelte und die US-Medien in der Folge eine Geschichte nach der anderen über die saudische Finanzierung islamistischer Terrornetzwerke recherchierten, geriet das Land unter immensen Druck. Die Saudis sahen ihre Beziehung zu bin Laden jedoch ganz anders. Waren sie nicht selbst Opfer von al-Qaida? Hatte das Terrornetzwerk nicht 2003/2004 tödliche Bombenanschläge bei ihnen verübt?

"Nicht jeder Saudi ist ein Terrorist", war die Floskel, die einem hier fast jeder an den Kopf warf, obwohl man derlei gar nicht behauptet hatte. Auf die Frage, was der Tod bin Ladens für ihn bedeute, sagt der 21-jährige Student Hani al-Dossry darum verärgert: "Warum fragen Sie mich das?" Und der 32-jährige Automechaniker Abdullah al-Oteibi meint im Einklang mit der Regierung: "Bin Laden hat unsere Religion pervertiert. Darum bin ich froh, dass er ausgeschaltet wurde."

Gefahr aus dem Jemen

Sympathien für al-Qaida, also einen Feind des Königshauses, zu äußern, wäre in einem Polizeistaat wie Saudi-Arabien ohnehin unmöglich. Aber solche Sympathien gibt es heute – anders als vor einem Jahrzehnt – ohnehin kaum. Al-Qaida ist in Saudi-Arabien so gut wie nicht mehr existent. Dafür hat der saudische Sicherheitsapparat gesorgt.

Anfang April gab das Regime bekannt, dass seit dem Jahr 2003, also seit Beginn der Kampagne gegen al-Qaida, fast 12.000 Saudis festgenommen wurden. Dabei schließe diese Zahl noch nicht einmal diejenigen ein, die offenbar völlig zu Unrecht inhaftiert und nach ein paar Tagen wieder freigelassen wurden, räumte ein Sprecher des Innenministeriums ein. Fast 6.000 Personen sind inzwischen wieder auf freiem Fuß, die andere Hälfte befindet sich noch in Haft.

Die Gefahr von al-Qaida für Saudi-Arabien kommt also nicht mehr aus dem Innern, sondern vom südlichen Nachbarn Jemen. Denn der regionale Ableger, al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel, kämpft auch gegen das saudische Königshaus. Erst Ende vorigen Jahres wurde in der Nähe der Grenze zum Jemen das mutmaßliche al-Qaida-Mitglied Mohammed Issam Baghdadi erschossen, der in Frauenkleidern getarnt ins Land einzureisen versucht hatte. Und die Nachrichten aus dem Jemen sind inzwischen so beunruhigend, dass die Saudis unbedingt den Rücktritt des jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh wollen.

Saleh will gebraucht werden

Ende März wurde eine von den USA finanzierte und von einem Sohn Salehs geleitete Antiterrortruppe aus Abyan, einer Provinz im Süden Jemens, abgezogen. Abyan gilt als Rückzugsgebiet der Al-Qaida-Kämpfer. Vermutlich wollte Saleh damit demonstrieren, dass er für die Terrorismusbekämpfung gebraucht werde. Großspurig erklärte al-Qaida daraufhin die Provinz zum "Islamischen Emirat", in dem die Scharia-Gesetzgebung gelte und Frauen nicht mehr allein ihre Häuser verlassen dürften.

In der vergangenen Woche gab es dort, aber auch im Hadramaut, der Wüstenprovinz im Osten, und in Hodeida an der Westküste fast täglich Angriffe auf die Sicherheitskräfte. Wie ein Al-Qaida-Mitglied am Montag der Nachrichtenagentur AFP sagte, will die Organisation ein Treffen im Süden des Landes abhalten und eine Erklärung zum Fortgang des "Heiligen Kriegs" nach dem Tod bin Ladens verfassen.

Jemen ist fast völlig von saudischem Geld abhängig. Die Überweisungen der jemenitischen Arbeiter machen einen Großteil des Bruttoinlandsprodukts aus, und das Königshaus zahlt an viele Clanführer und Politiker im Nachbarland "Stipendien".

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