Ortstermin: Unter Druckern
Die Druckereizunft geht mit einem Initiationsritus in die Öffentlichkeit. In Hamburg fand nun das traditionelle Gautschfest statt. Dabei zeigt sich: diese Handwerker sind vom alten Schlag.
Als sie das dritte Mal in den Bottich mit dem kalten Wasser getaucht wird, zittert sie. Ihre Haare und Kleider sind nass und das Wasser rinnt ihr am Gesicht herunter. Doch Sara Naschwitz lächelt, denn jetzt ist sie offiziell in die Druckerzunft aufgenommen.
Das Spektakel, das hier vor rund dreißig Gästen und zehn Fortografen vollführt wird, ist eine Wassertaufe auf einer traditionellen Gautschfeier. Diese wird am Ende der Ausbildung von Druckerlehrlingen durchgeführt. Darüber Bescheid weiß fast niemand: Die Drucker sind mit ihren Traditionen öffentlich nicht so präsent wie etwa die Zimmermänner, wenn sie in traditionellem Gewand auf Walz gehen.
Durch die Wassertaufe soll die "Hudelei und Murkserei" aus der Lehrzeit abgewaschen werden, teilt Gautschmeister Rolf Kupfer seinem Publikum mit. Der Festakt findet im Innenhof der Techniker Krankenkasse (TK) in Hamburg-Barmbek statt. Es ist eher ein Park, mit Bäumen, einem Fluss und planschenden Enten. Für die Zeremonie ist ein echtes Gautschgremium samt alterstümlichen Trachten angereist. Fünf Männer und eine Frau sind in knielange Lederhosen, weiße Strümpfe, traditionelle Hemden und flache Mützen gekleidet. "Wir sind ein gegautschtes Gremium, wir sind hier alle gegautscht worden, sonst dürften wir gar nicht gautschen", sagt der Gautschmeister und rückt das Nackentuch seines Nebenmannes zurecht. Er begrüßt die anwesenden "Kornuten" - so werden die Druckerlehrlinge genannt -, Familien und JournalistInnen, das Fernsehteam und vor allem auch die Fotografen. Diese machen aus der Rede des Gautschmeisters ein Blitzlichttheater.
Die Kornuten müssen vor dem Gremium mit zwei Fingern auf einem Schwert den Eid ablegen, den es schon zu Zeiten von Johannes Gutenberg gab: "Es sei künftig mein Bestreben, stets ein tugendhaftes Leben." Einer der vier Lehrlinge hat Schwierigkeiten, sich den Satz zu merken und braucht längere Zeit, den Eid vollständig auszusprechen. Der Gautschmeister lässt den Satz so lange aufsagen, bis auch die Packer, die Schwammhalterin und die Gäste mit der Lautstärke und Überzeugtheit des Eides zufrieden sind.
Der Höhepunkt ist jedoch die Wassertaufe. Die Lehrlinge werden dazu von den Packern rücklings in einen Bottich getaucht. Je nach Lehrling und Wohlwollen der Packer passiert dies bis zu sechsmal. Sara ist als Erste dran. Als sie unter Wasser gedrückt wird, drängt sich der Kameramann noch näher heran und die Fotografen stürmen hinterher. Die restlichen Gäste erleben die Zeremonie nur noch als ein Haufen aneinander gedrängter Rücken.
Als Sara an die Reihe kommt, ruft der doch schon etwas ältere Gautschmeister zur Vereidigung einen Sascha auf. Das wiederholt er bei der Wassertaufe wieder und bei der anschließenden Gautschbriefübergabe noch einmal. Sara sieht das gelassen: "Ich bin da mittlerweile abgehärtet. Man gewöhnt sich daran, dass man die einzige Frau ist."
Am Ende werden alle Anwesenden zum Umtrunk und Spanferkel eingeladen. Alles ganz standesgemäß. Nur das Bier zum Schwein ist alkoholfrei.
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