piwik no script img

Oppositionspolitiker in RusslandNeue Ermittlungen gegen Nawalny

Der Putin-Kritiker, der Moskauer Bürgermeister werden will, soll für seinen Wahlkampf illegale Gelder aus dem Ausland erhalten haben.

Um ihn zu diskreditieren ist dem Kreml jedes Mittel recht: Aleksej Nawalny. Bild: ap

MOSKAU taz | Schon wieder sind in Russland Spione und ausländische Agenten am Werk, die dem Kremlchef am Zeug flicken wollen. Diesen Eindruck zumindest vermittelte die russische Generalstaatsanwaltschaft, die am Montag die Ermittlungsbehörde anwies, gegen den Putin-Kritiker Alexej Nawalny ein Verfahren wegen illegaler Wahlkampffinanzierung aus dem Ausland einzuleiten.

Der Antikorruptionsblogger Nawalny tritt bei den Bürgermeisterwahlen in Moskau am 8. September an. Im Juli war er in einem Schauprozess zu fünf Jahren Haft wegen angeblicher Veruntreuung verurteilt, einen Tag später jedoch vorübergehend wieder auf freien Fuß gesetzt worden.

Die Staatsanwaltschaft behauptet, dass mehr als 300 juristische Personen und namentlich bekannte Spender aus dem Ausland über das russische Internetzahlungssystem Yandex.dengi dem charismatischen Putin-Herausforderer Geld überwiesen haben. Ausländische Finanzhilfe verstößt gegen das russische Wahlkampfgesetz. Aus 46 Ländern seien mehr als 300 IP-Adressen ermittelt worden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit.

Wladimir Schirinowski, der nationalistische Duma-Abgeordnete, hatte sich Anfang August an die Behörden mit der Bitte gewandt, die Herkunft der Gelder zu überprüfen: Niemand wisse schließlich, ob Washington oder Tschukotka – die Halbinsel im russischen Nordosten – der Absender sei, meinte Schirinowski.

Die Methode, Spenden im Internet zu sammeln, stieß auch bei der Kremlpartei Einiges Russland und der Zentralen Wahlkommission schon auf Misstrauen. Nawalny nennt den Mechanismus „Vertrauenskredit“. Ein Privatmann spendet die maximal erlaubte Summe von einer Million Rubel (22.000 Euro) und eröffnet ein elektronisches Konto bei Yandex, auf das nicht so finanzkräftige Spender einzahlen und im Idealfall nach und nach dem großzügigen Geldgeber die vorgestreckte Summe kompensieren. Ein öffentlicher Auditor überwacht die Eingänge auf dem Konto. Der Wahlkampfstab ist an der Sammlung der Spenden direkt nicht beteiligt.

Nawalny soll diskreditiert werden

„Wir haben das transparenteste und einfachste Finanzierungssystem“, meinte Nawalny. Wenn der Name nicht vollständig sei, das Geburtsdatum oder Angaben zur Staatsangehörigkeit fehlten, würde das Geld an den Spender zurücküberwiesen. Außerdem machten die Betreiber des Internetzahlungssystems darauf aufmerksam, dass hinter einer Überweisung aus dem Ausland nicht automatisch ein Ausländer stecken müsste.

So verbirgt sich hinter dem Vorstoß wohl auch weniger die Sorge um Einhaltung des Gesetzes. Der charismatische Antikorruptionskämpfer soll in der Öffentlichkeit selbst als korruptionsanfällig und Handlanger ausländischer Interessen diskreditiert werden.

Je näher die Wahl rückt und die Chancen steigen, dass der Kremlkandidat Sergej Sobjanin erst im zweiten Wahlgang gewählt werden könnte, desto nervöser reagieren die Machthaber. Bislang war Nawalny die Rolle zugedacht, der Wahl einen demokratischen Anstrich zu verleihen und den Kremlkandidaten mit mehr Legitimität auszustatten. Deshalb dürfte er auch nicht mehr aus dem Rennen geworfen werden. Ein Führungsmitglied der Kremlpartei gestand dem Blatt Wedomosti, die Öffentlichkeit solle glauben, auch Nawalny sei für „undurchsichtige Schemata“ und fragwürdige Methoden empfänglich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Die meisten politischen, wirtschaftlichen sowie privaten oder sonstigen Gegner von Herrn Putin enden entweder im Gefängnis (unabhängig davon, ob sie wirklich schuldig sind oder nicht) oder denen passieren tödliche „Unfälle“ - auch außerhalb Russlands. Die Korruption und Kriminalität bei Behörden, Polizei und Politikern in Russland ist Alltag. Auch auf die Presse wird Druck ausgeübt. Viele Publikationen verschwinden einfach sehr schnell aus dem Verkauf und Internet, wenn nahestehende Personen oder Unternehmen Putins in einer Publikation „ertappt“ wurden.

    Eine Zeitung z.B. wurde, nach einem Interview mit Herrn Putin, am nächsten Tag verboten. Es wurde von einem Journalisten nur eine Frage bezüglich einer aktuellen Problematik im Land gestellt. Menschenrechte, Pressefreiheit und Demokratie sind Fremdwörter in Russland. Ein Großteil der Bevölkerung Russlands, das nicht korrupt oder kriminell ist, verliert jegliche Hoffnung auf ein normales Leben (wie in Europa) und jegliches Glauben in Regierung.

     

    Zuletzt hat Herr Putin mal wieder ein neues Gesetz herausgebracht; wäre er nicht an der Macht, würde so ein Gesetz niemals verabschiedet. „Bei ersten wirtschaftlichen Verbrechen (genau wie im Falle von Herrn Khodarkovsky, dem bekanntesten politischen Häftling weltweit) ist es jetzt möglich, unabhängig von Art und Ausmaß der Straftat, dass man unbestraft davon kommt.“ Wen will Herr Putin wohl damit schützen? Für wen ist diese künftige Absicherung gedacht?

  • @Pennts

     

    Meinen Sie mit Agitprop den Artikel selbst? Er liegt ja ganz auf der Linie der Bundesregierung.

  • P
    Pennts

    Na wenigstens ist auf die Agitprop-Kader noch verlass, die wenige Minuten nach erscheinen der Artikel auftauchen und die offizielle Linie verkünden.

     

     

     

    Überraschenderweise werden sie auch immer sofort freigeschaltet, während es sonst bei Kommentaren gerne mal ein oder zwei Werktage dauert.

  • Tatsächlich (laut Nachforschungen russischer Blogger) fiel bei Nawalny auf, dass seine Spenden einige Seltsamkeiten aufwiesen: Oft wurde in kurzen Abständen hintereinander dutzende Male die genau gleiche Summe überwiesen. Grosse Beträge wurden aufgespalten in viele kleine Summen. Mutmasslicherweise sollte so das Wahlgesetz umgangen werden, welches für Grossspenden Transparenz und Offenlegung des Spenders verlangt.

     

     

     

    Es wird nun vermutet, dass Nawalny von Oligarchen oder auch aus dem Ausland massiv finanziell unterstützt wird und er diese Unterstützung so verschleiern will. Falls das stimmt, wäre das ein weiterer krimineller Akt, ein massiver Verstoss gegen das Wahlgesetz.

     

     

     

    ''...die Chancen steigen, dass der Kremlkandidat Sergej Sobjanin erst im zweiten Wahlgang gewählt werden könnte.''

     

    Laut neuesten Umfragen kommt Sobjanin auf 76%. Sein Sieg im ersten Wahlgang ist sehr, sehr wahrscheinlich. Nawalny ist für den populären Sobjanin kein ernstzunehmender Konkurrent.