Oppositionspolitiker Khan über Pakistan-Wahl: "Musharraf fördert den Terrorismus"
Am Montag wählt Pakistan. Doch diese Wahl, so Imran Khan, ist eine Farce, solange Musharaf die Justiz gängelt und die Bevölkerung in die Arme der Islamisten treibt.
taz: Herr Khan, Sie haben gestern eine Demonstration in Islamabad gegen die Wahlen angeführt, die am Montag in Pakistan stattfinden. Warum sind Sie gegen diese Wahlen?
Imran Khan: Wir sind für einen Boykott der Wahlen, so lange die Justiz unseres Landes nicht wiederhergestellt wird. Wir, das sind ein Bündnis aus etwa 20 demokratischen Parteien. Wir wollen, dass die abgesetzten Richter der höheren Gerichte wiedereingesetzt werden, die Musharraf während des Notstands im November abgesetzt hatte.
IMRAN KHAN, Oppositionspolitiker in Pakistan, war früher der Kapitän der dortigen Kricket-Nationalmannschaft. Schon vor Jahren hat er eine eigene Partei, Tehrik-i-Insaf, gegründet. Er ist scharfer Kritiker des Präsidenten Pervez Musharraf. Gestern führte Khan in Islamabad eine Demonstration für einen Boykott der Wahlen am kommenden Montag an. Seine Anhänger finden sich vor allem unter jungen Pakistanern.
Und warum ist das so wichtig, dass sie deshalb sogar die Wahl boykottieren?
Wenn der Oberste Richter Iftikhar Mohammad Chaudhary unter Hausarrest steht und 60 andere hohe Richter abgesetzt worden sind, weil sie sich nicht den Weisungen Musharrafs unterworfen haben, kann ist dies keine Demokratie sein. Musharraf hat an deren Stelle jetzt seine eigenen Leute installiert, die es ihm ermöglicht haben, die Verfassung zu ändern. Er hat 60 Prozent der Justiz außer Gefecht gesetzt. Wahlen ohne eine unabhängige Justiz führen nicht zu Demokratie. Hosni Mubarak lässt in Ägypten seit 27 Jahren Wahlen abhalten, Islam Karimow in Usbekistan seit 13 Jahren. Saddam Hussein hat Wahlen abhalten lassen. Sind das etwa Demokratien?
Aber die beiden größten Oppositionsparteien, die Pakistanischen Volkspartei der ermordeten Benazir Bhutto, und Nawaz Sharifs Muslimliga werden bei den Wahlen antreten. Macht das Ihren Boykott nicht obsolet?
Nein. Sharif war auch in unserem Bündnis. Unter dem Druck seiner Anhänger hat er dann aber für die Wahl entschieden. Bei der Pakistanischen Volkspartei gilt immer noch der Deal über eine Teilung der Macht, den die USA eingefädelt haben, damit Musharraf Präsident bleiben kann. Das ist ein Betrug an der Demokratie. Außerdem ist es verfassungsfeindlich, Wahlen unter den noch immer teilweise geltenden Notstandsgesetzen abzuhalten. Denn diese Gesetze wurden von unserem Obersten Gericht für ungesetzlich erklärt. Deshalb hat Musharraf es ja abgesetzt.
Was wollen Sie mit diesem Boykott erreichen?
Pakistan hat keine Zukunft, solange die Richter des Obersten Gerichts nicht wiedereingesetzt werden. Wir müssen jetzt zu unserer Justiz stehen, anstatt uns aus Eigeninteresse mit einem Diktator zu arrangieren. Wir müssen uns jetzt den Anwälten, die auf der Straße protestieren, und den Richtern anschließen, sonst sind wir einfach nur irgendein Dritte-Welt-Land, in dem es Wahlen, aber keine Demokratie gibt.
Wieso nehmen die USA so viel Einfluss auf diese Wahlen?
Die USA meinen, dass Musharraf ihr Mann ist, um den Terror zu bekämpfen. Obwohl erwiesen ist, dass der Terror stärker geworden ist, seit Musharraf an der Macht ist.
Sie meinen, dass der Islamismus vor allem in den Nordwestprovinzen Pakistans immer mehr Anhänger gewinnt?
Ja, allerdings es ist komplizierter. Denn das ist kein Islamismus. Was in den Nordwestprovinzen vor sich geht, hat nichts mit dem Islam zu tun. Bevor die Armee vor einigen Monaten dort einmarschiert ist, hatten die Taliban und al-Qaida dort nicht mehr als 2.000 Anhänger. Mit ihrem Einmarsch hat die Armee jedoch einen Aufstand der Stämme in den gesamten Gebieten an der Grenze zu Afghanistan ausgelöst. Das sind keine Radikalen. Erst als dann bei Bombardements immer mehr Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, ums Leben gekommen sind, haben Selbstmordattentäter damit begonnen, die Armee anzugreifen. Das sind Racheakte.
Was müsste jetzt geschehen, um das einzudämmen?
Je mehr die Armee gegen die Menschen in der Region vorgeht, desto mehr Racheakte gegen die Armee wird es geben. Wenn dies so bleibt, steht die Existenz Pakistans auf dem Spiel. Das ist kein islamischer Fanatismus, sondern ein Bürgerkrieg in den Stammesgebieten. Damit treibt die Armee letztlich immer mehr Anhänger in die Arme der Terroristen.
Die Armee kontrolliert heute in Pakistan das gesamte öffentliche Leben und den Großteil der Wirtschaft. Kann sich irgendetwas ändern, solange die Armee so übermächtig ist?
Es kann sich nur etwas ändern, wenn Verfassungsmäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit gelten, und die sind nur durch eine unabhängige Justiz möglich. Das wäre der Beginn eines Wandels. Und genau das hat der Oberste Richter Iftikhar Mohammad Chaudhry getan. Er ist in Aktion getreten dagegen, dass die Geheimdienste eine unbekannte Zahl Menschen haben verschwinden lassen. Es war das erste Mal, dass jemand das Regime kontrollierte. Damit hat er uns Hoffnung gegeben. Die Justiz begann die Menschenrechte zu schützen. Die Armee soll endlich ihre Rolle einnehmen, die ihr laut Verfassung zusteht.
INTERVIEW: SASCHA ZASTIRAL
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