Opposition kritisiert Friedrich: Schelte für den Trip nach Prismland
Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist zufrieden mit seiner US-Reise und verteidigt die NSA-Datensammlung. SPD, Linke und Piraten halten seine Mission für gescheitert.
BERLIN afp/dpa | Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat die umstrittenen Überwachungsprogramme der US-Regierung verteidigt und dafür kräftige Schelte von der Opposition kassiert. Der US-Geheimdienst NSA habe dank Programmen wie „Prism“ nach eigenen Angaben weltweit 45 Anschläge verhindert, davon 25 in Europa und fünf in Deutschland, betonte Friedrich am Freitagabend im Fernsehen. SPD, die Linkspartei und die Piratenpartei bemängelten indes, der Minister sei gegenüber der US-Regierung eingeknickt.
Mit „Prism“ könnten weltweite Kommunikationsdaten „gezielt nach Begriffen wie Terrorismus“ durchsucht werden, versuchte Friedrich im ZDF-„heute-journal“ die Vorteile zu beschreiben. Dass es eine flächendeckende inhaltliche Überwachung deutscher Bürger und ihrer Kommunikation gäbe, sei ihm auf seiner USA-Reise nicht bestätigt worden.
In den Vereinigten Staaten hatte Friedrich zuvor mit US-Justizminister Eric Holder und der Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Lisa Monaco, Gespräche geführt. Wie genau er die von ihm verlangte „Verhältnismäßigkeit“ der eingesetzten Mittel zu wahren gedenkt, ließ der CSU-Politiker offen.
Ab jetzt Zugriff auf vormals geheime Infos
Die US-Regierung hatte Deutschland zuvor Aufklärung über die Aktivitäten ihrer Geheimdienste zugesichert. So vereinbarte Friedrich am Freitag in Washington, dass deutsche Stellen Zugriff auf vormals geheime Informationen zum „Prism“-Programm erhalten sollen.
„Ich habe den amerikanischen Freunden klar gesagt, (...) dass wir es nicht akzeptieren könnten, wenn die NSA gegen Gesetze in Deutschland verstoßen würde“, sagte der Innenminister. Er habe die „klare Antwort“ erhalten, dass die USA keine Industriespionage in Deutschland betrieben. Die Überwachung von Bürgern sei ohnehin nicht Gegenstand der Vereinbarungen zwischen beiden Staaten.
Während Friedrich erwartungsgemäß ein positives Fazit seiner Gespräche mit den US-Kollegen zog, äußerte sich der Vorsitzende des Parlamentarischen Bundestags-Kontrollgremiums für deutsche Nachrichtendienste enttäuscht. „Ich bin entsetzt, dass wir fünf Wochen nach Beginn der Enthüllungen immer noch nicht wissen, welche Daten wann von wem abgeschöpft worden sind", sagte SPD-Politiker Thomas Oppermann der Passauer Neuen Presse. „Minister Friedrich kehrt mit leeren Händen zurück. Wir sind in den wesentlichen Punkten keinen Schritt weiter gekommen.“
Piratenpartei: „Internationaler Cyberwar“
Auch die Linke hält die Ergebnisse der Washington-Reise von Friedrich wegen der US-Spähaffäre für völlig unzureichend. „Ein Innenminister, der nichts gegen diesen Datenklau, gegen einen fortwährenden Rechtsbruch unternimmt, hat seine Aufgabe nicht verstanden“, erklärte am Samstag Steffen Bockhahn, der für die Linksfraktion im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kontrolle der Geheimdienste sitzt.
Friedrichs Auftrag sei es gewesen, aufzuklären mit welchen Methoden und in welchem Umfang Deutschland durch die Amerikaner bespitzelt werde. Zudem sollte er sich für den Schutz der Rechte der Menschen hier und somit für ein Ende dieser Totalüberwachung einsetzen. „Friedrich benimmt sich so, als würde er sich bei einem Ladendieb bedanken, der an der Kasse Bescheid sagt, was er geklaut hat. An Strafverfolgung denkt er nicht. Das ist absurd", monierte Bockhahn.
Noch drastischer reagierten die Piraten: „Die US-amerikanischen Geheimdienste führen einen internationalen Cyberwar, nehmen dabei die gesamte Bevölkerung der restlichen Welt in Geiselhaft, und unser Innenminister hat nichts Besseres zu tun, als der Obama-Regierung dafür auch noch zu applaudieren“, hieß es in einer von der Piratenpartei Deutschland verbreiteten Mitteilung. Offenbar hätten für den Minister geheime Entscheidungen der US-Gerichte einen höheren Stellenwert als das Grundgesetz.
Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) räumte im Gespräch mit der Welt am Sonntag ein, dass es Überwachungen selbst „bis in Regierungskreise hinein“ gegeben habe, und „das tut man unter Freunden nicht“. Zugleich machte sie sich für ein internationales Datenschutzabkommen stark, das Staaten und Unternehmen zu einheitlichen Standards verpflichtet.
Trotz der Kritik an seiner vermeintlich laschen Haltung gab sich Friedrich unverdrossen. „Das Wichtigste war, dass alle Gesprächspartner hier in den Vereinigten Staaten verstehen, dass es in Deutschland, auch in Europa insgesamt, eine hohe Sensibilität beim Schutz der Privatsphäre und beim Schutz der Freiheit gibt“, resümierte der CSU-Mann. „Das ist bei den amerikanischen Kollegen angekommen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch