Opposition in der Türkei: Haft für HDP-Chef gefordert
Die Staatsanwaltschaft wirft Selahattin Demirtas Propaganda für eine Terrorgruppe vor. Derweil kam eine in der Türkei festgenomme Deutsche wieder frei.
Auch für Önder sei eine fünfjährige Haftstrafe gefordert worden. Im Mai war auf Betreiben von Präsident Recep Tayyip Erdogan die parlamentarische Immunität von HDP-Abgeordneten aufgehoben worden.
Erdogan wirft der HDP vor, der politische Arm der separatistischen PKK zu sein. Die HDP bestreitet direkte Verbindungen zu der Gruppe. Die Türkei, die USA und die EU führen die PKK als Terrororganisation. Zum Zeitpunkt der in der Anklage angeführten Reden bemühten sich die PKK und die Regierung um eine friedliche Lösung des Konflikts.
Im Juli 2015 brach der zweieinhalb Jahre währende Waffenstillstand jedoch zusammen. Seither kommt es in den Kurdengebieten im Südosten zu Kämpfen wie seit dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen in den 90er Jahren nicht mehr.
48-jährige Deutsche wieder auf freiem Fuß
Derweil bestätigte das Auswärtige Amt Informationen des Spiegel, dass eine nach dem Putschversuch in der Türkei festgenommene Deutsche wieder frei ist. Die 48-jährige Frau mit deutscher Staatsbürgerschaft und türkischen Wurzeln sei am Freitag freigelassen worden. Auch die Tochter der Frau war festgehalten worden, laut Medienberichten kam die 25-Jährige unter Auflagen auf freien Fuß.
Nach der Festnahme der 48-Jährigen vor knapp zwei Wochen im Süden der Türkei hatte sich das Auswärtige Amt eingeschaltet. „Die Deutsche Botschaft Ankara war seit der Festnahme der deutschen Staatsangehörigen in Kontakt sowohl mit ihr als auch mit den türkischen Behörden“, erklärte das Auswärtige Amt.
Auch Staatssekretär Markus Ederer habe das Thema bei seinem Türkei-Besuch Anfang der Woche angesprochen. „Das Auswärtige Amt begrüßt die Freilassung und setzt sich weiter dafür ein, dass bei der Aufarbeitung des Putschversuchs rechtsstaatliche Prinzipien gewahrt werden“, heißt es in der Erklärung.
Was die Türken der nun freigelassenen Frau genau vorwerfen, die Medienberichten zufolge in Süddeutschland aufwuchs und vor einigen Jahren in die Türkei umzog, war unklar. Offenbar wird ihr aber die Mitgliedschaft in einem Verein zur Last gelegt, der zum Umfeld der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen gehören soll. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan macht seinen im US-Exil lebenden Erzfeind für den gescheiterten Putsch Mitte Juli verantwortlich.
32 Diplomaten sind nicht heimgekehrt
Ankara hat seit dem Umsturzversuch auch tausende Soldaten und Offiziere festnehmen lassen und knapp die Hälfte der Admiräle und Generäle aus den Streitkräften entlassen. Ihnen wird vorgeworfen, Anhänger Gülens zu sein. Auch in der Polizei, der Justiz, der Regierung und im Bildungssektor wurden zehntausende angebliche Gülen-Anhänger festgenommen, entlassen oder suspendiert.
Am Freitag wurde bekannt, dass 32 türkische Diplomaten, die nach dem Putschversuch in ihre Heimat zurückberufen wurden, nicht heimgekehrt seien. Insgesamt seien 208 Karrierediplomaten aus dem Ausland zurück in die Türkei beordert worden, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Davon seien 32 nicht zurückgekehrt. Einige von ihnen hätten sich in andere Länder abgesetzt, sagte Cavusoglu bei einer Pressekonferenz mit seinem iranischen Kollegen Mohammed Dschawad Sarif.
Von drei in Bangladesch tätigen Diplomaten flüchteten den Angaben zufolge zwei in die USA, der dritte kam in die Türkei zurück. Auf die Frage nach Medienberichten, wonach sich einige Diplomaten auch nach Russland abgesetzt haben sollen, sagte Cavusoglu, er habe keine Informationen darüber. „Wir werden das nachprüfen.“
Außenminister Cavusoglu: „Positive Signale“ aus den USA
Am Donnerstag hatte der Außenminister mitgeteilt, dass sich zwei Militärattachés der türkischen Botschaft in Griechenland nach dem vereitelten Putsch vom 15. Juli nach Italien abgesetzt hätten. „Wir arbeiten daran, die beiden Verräter zurück in die Türkei zu bringen“, fügte der Minister hinzu.
Derweil erhielt die türkische Regierung laut Cavusoglu „positive Signale“ aus den USA, was die von Ankara geforderte Auslieferung Gülens angeht. Demnach bereitet die Türkei derzeit weitere Dokumente vor, die das Auslieferungsgesuch begründen und die nach Washington gesendet werden sollen.
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