Opposition in Russland: Ein Prozent für die Selbstachtung
Im Juli soll eine neue Kreditkarte des Aktivisten und Bloggers Alexei Nawalny starten: Wer mit ihr bezahlt, fördert Projekte im Kampf gegen die Korruption.
MOSKAU taz | Alexei Nawalny ist seit längerem schon eine Kultfigur in Russlands Opposition. Zurzeit sitzt der Kämpfer gegen die Korruption jedoch wieder einmal im Gefängnis.
Ein Moskauer Gericht verurteilte ihn vergangene Woche zu 15 Tagen Haft, weil er sich der Festnahme durch die Polizei widersetzt hatte. Es handelte sich dabei um eine vorbeugende Massnahme, mit der die Sicherheitsbehörden den seit Anfang Mai wieder aufflackernden zivilen Widerstand schwächen wollen.
Der Fonds "Kampf der Korruption" läuft unterdessen trotz erzwungener Pause des Gründers weiter. Im Juli soll eine neue Kreditkarte - die Nawalnycard - auf den Markt kommen. Deren Inhaber sollen künftig mit einem Prozent des Umsatzes die diversen Projekte des Antikorruptionsfonds fördern. Mit dem Slogan "Ein Prozent für die Selbstachtung" wirbt der Anwalt Nawalny auf der Website navalnycard.ru für das neue Vorhaben. Noch können sich Interessenten auch an der Gestaltung der Karte im Internet beteiligen.
Einer der favorisierten Vorschläge zeigt Russlands Landmasse, durch die sich eine Kreissäge fräst. "Sägen" bedeutet im Russischen auch das Abzweigen von Budgetmitteln. Mit der Website "Rospil", was so viel heisst wie "Russland zersägen", hatte Nawalny einst für Furore gesorgt. Er wies der Pipelinefirma Transneft Veruntreuung in Milliardenhöhe nach. Der Rechnungshof nahm damals den Betrug zur Kenntnis, doch damit war die Angelegenheit erledigt.
Auch Künstler und Prominente machen mit
Heute ist Rospil eine feste Institution geworden, auf deren Website die staatlichen Ausschreibungen kontrolliert und vom Publikum mit andern Offerten verglichen werden können. 2011 sparte Rospil auf diese Art dem Staat Ausgaben von mehr als einer Milliarde Euro.
Über welche Bank das Kreditkartengeschäft abgewickelt werden soll, bleibt unterdessen noch geheim. Das Geldinstitut habe darum gebeten, sagte der Leiter des Antikorruptionsfonds, Wladimir Aschkurow. Die Bank werde auch nur die Infrastruktur zur Verfügung stellen. Die Idee mit der Kreditkarte sei jedoch in Zusammenarbeit mit der Bank entstanden. Die Marketingabteilung gehe davon aus, dass rund vier Millionen Karten ausgegeben würden. Eine Nachfrage bestehe in den verschiedensten Segmenten der Bevölkerung.
In der Wirtschaftszeitung Wedomosti erklärten sich auch Künstler und Prominente der russischen Finanzwelt bereit, das Projekt finanziell zu unterstützen. Sollte dies zutreffen, haben sich die Verhältnisse in Russland seit den Protesten gegen die gefälschten Dumawahlen im letzten Dezember grundlegend verändert. Bisher hatten sich die Reichen aus Furcht vor Vergeltung mit Kritik zurückgehalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Hamburg und die Kühne-Oper
Als das Wünschen noch geholfen hat