Opposition in Polen: Kaczynskis Partei zerfleischt sich
Drei frühere Freunde des Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski wurden bereits ausgeschlossen. Nun droht der konservativen Partei eine Abspaltung des rechten Flügels.
WARSCHAU taz | Wohin Polens noch immer mächtigster Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski auch blickt, er sieht nur Verräter. Im Ausland, im Inland, sogar in der eigenen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Am Wochenende entledigte sich der rechtsnationale Politiker seiner bislang engsten Freunde und warf sie aus der Partei.
Die drei "Ziobristen", wie die Geschassten nach ihrem Wortführer Zbigniew Ziobro genannt werden, dem Ex-Justizminister und heutigem EU-Parlamentarier, hatten "mehr Demokratie" in der autoritär geführten Partei verlangt. Dem Boulevardblatt FAKT sagte Ziobro gestern: "Wir lassen uns nicht aus der Politik drängen".
Sollten die "Ziobristen" eine neue Mitte-Rechts-Partei gründen, könnten sie im Parlament auf ein knappes Dutzend Überläufer aus der alten PiS rechnen. Bis zur Fraktionsstärke - dazu sind 15 Abgeordnete nötig - würden nur wenige Parteiwechsler fehlen. Schon heute würden rund neun Prozent aller Wähler in Polen statt der alten PiS Kaczynskis die PiS Ziobros wählen.
Zur geforderten Diskussion über die künftige Strategie der Partei, die sechs Wahlen verloren hat, kam es erst gar nicht. Da die drei auch kein öffentliches Schuldbekenntnis ablegen wollten, entschied das Parteigericht: "Ausschluss der Renegaten".
Polens politische Beobachter sehen dem Selbstzerfleischungsprozess der Partei, die einst mit den Kaczynski-Zwillingen den Präsidenten und Premier des Landes stellte, mit kalter Neugierde zu. Nur das nationalkatholische Radio Maryja in Torun und das ihr nahestehende Nasz Dziennik trauern schon jetzt wie um einen Sterbenden: "Mit dem Rauswurf Ziobros aus der Partei schneidet sich die PiS selbst das Herz aus dem Leib." Nur mit dem Gehirn zu leben (gemeint ist Kaczynski, GL.) - und sei es das klügste - sei zwar möglich, würde aber jedem Organismus schwerfallen", schrieb Nasz Dziennik.
2010, kurz nach der verlorenen Präsidentschaftswahl, bei der Jaroslaw Kaczynski angetreten war, hatte sich der linke Flügel des PiS abgespalten. Nun könnte sich - nach dem Wahldebakel der PiS vor einem Monat - der rechte Flügel abspalten. Sollte es der alten PiS nicht gelingen, Kaczynski zur Aufgabe des Parteivorsitzes zu bewegen, werde die Partei ausbluten, prognostiziert die Online-Ausgabe des konservativen Nachrichtenmagazins Wprost.
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