Opposition in Aserbaidschan: Entführt und ausgeliefert
Der oppositionelle Aserbaidschaner Elvin Isajew wird in der Ukraine entführt und nach Baku abgeschoben. Das ist das Werk von Geheimdiensten.
Isajew hatte vor seiner Abschiebung, die bereits am 12. Dezember durchgeführt worden war, mehrere Monate in der Ukraine gelebt. Der Blogger, dessen YouTube-Kanal 21.000 AbonnentInnen hat, ist für seine beißende Kritik an der Korruption in Aserbaidschan und dessen Herrscher, Ilham Alijew, bekannt.
Isajew ist nicht der erste Kritiker der aserbaidschanischen Regierung, der aus dem Ausland entführt wurde. Im Mai 2017 wurde der aserbaidschanische Journalist Afgan Muchtarli, Träger des Pawel Scheremet-Preises, in Tbilisi gekidnappt. Wenig später tauchte er in einem aserbaidschanischen Gefängnis auf und wurde im Januar 2018 zu sechs Jahren verurteilt.
Vor seiner Einreise in die Ukraine im September hatte Isajew fast 20 Jahre in Russland gelebt, wo man ihm 2001 die russische Staatsbürgerschaft verliehen hatte. Im August 2019 hatten die aserbaidschanischen Behörden einen Haftbefehl für ihn ausgestellt. Wenig später wurde er in Russland verhaftet.
Vorwurf Terrorrismus
Die Vorwürfe sind offiziell nicht bekannt. Gegenüber der Kyiv Post äußerte der aserbaidschanische Oppositionelle Fikret Huseynli, Isajew werde Terrorismus vorgeworfen. Gleichzeitig wurde Isajew ohne Angabe von Gründen die russische Staatsbürgerschaft entzogen.
Doch der Europäische Menschengerichtshof (EGMR) verbot am 11. September in einer Eilentscheidung eine Auslieferung nach Aserbaidschan. Isajew wurde aus der Abschiebehaft freigelassen, jedoch von den russischen Behörden aufgefordert, das Land zu verlassen. Wenig später reiste er mit seinem aserbaidschanischen Pass in die Ukraine ein und lebte bei Freunden in Kiew.
Am 12. Dezember schlugen Isajews Kiewer Freunde Alarm. Dieser war wie vom Erdboden verschluckt. Dann, am 14. Dezember, erklärte die Pressestelle des aserbaidschanischen Migrationsdienstes, Elvin Isajew sei am 12. Dezember aus der Ukraine nach Aserbaidschan abgeschoben worden, weil er die ukrainischen Aufenthaltsgesetze verletzt habe.
Gegenüber der taz berichtet der ukrainische Menschenrechtler und Fernsehmoderator Boris Sacharow, der Isajew beraten hatte, über die näheren Umstände der Abschiebung. „Über meinen Kontakt habe ich erfahren, dass Isajew vom Inlandsgeheimdienst SBU entführt worden ist. Anschließend ist er von den Aserbaidschanern mit einem Diplomatenflugzeug außer Landes gebracht worden“, so Sacharow.
Ohne rechtliche Grundlage
Diese Zusammenarbeit von ukrainischem und aserbaidschanischen Geheimdienst sei „ein Verbrechen“, für das jede rechtliche Grundlage fehle, so Sacharow. Er ist sich sicher, dass die ukrainischen Behörden gewusst haben müssen, dass der EGMR Russland die Auslieferung von Isajew verboten habe. Sollte er die Aufenthaltsbestimmungen verletzt haben, hätte man ihn auch in das Land ausweisen können, aus dem er eingereist ist, nämlich Russland.
Bis vor seiner Ausreise in die Ukraine hatte Isajew mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen, die alle die russische Staatsbürgerschaft besitzen, in St. Petersburg gelebt. Dass er sich in dem Konflikt zwischen der Ukraine und Russland auf die Seite Russlands gestellt hat, dürfte ihm in der Ukraine keine Sympathien einbringen.
Unterdessen berichten ukrainische Medien, dass der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski in diesen Tagen zu einem Staatsbesuch in Aserbaidschan erwartet wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko