■ Kommentar: Opposition ausgetrickst
Das Budgetrecht gehört zu den Pfeilern des Parlamentarismus. Im 19. Jahrhundert, also im Deutschland der Kaiserherrschaft, war dies einer der wenigen Punkte, an denen die Abgeordneten dem Monarchen in die Parade fahren konnten. Nun ist der Senat kein Kaiser – aber die Art, wie er sich über gesetzliche Bestimmungen der Landeshaushaltsordnung hinwegsetzt und sich dabei en passant einer Verfassungsklausel bedient, mutet selbstherrlich an. Die nächste Sparrunde wird die schwierigste in der Geschichte Berlins sein, weil eine unvorstellbare und unübersichtliche Deckungslücke – die Angaben schwanken zwischen fünf und zehn Milliarden Mark – zu schließen ist.
Ausgerechnet dieser Titanenakt soll nun erst im November im Parlament beraten werden, obwohl laut Gesetz den Abgeordneten die Entwürfe schon nach der Sommerpause, also im September, vorzulegen wären. Zu den elementarsten Rechten, gerade einer Opposition, gehört nun einmal die Überprüfung der Regierungsvorlagen. Nur hier, im Haushaltsausschuß etwa, kann sie – bescheiden zwar – noch korrigierend eingreifen. Nun droht ein Schnelldurchlauf, der auch nicht durch die von CDU und SPD angekündigte öffentliche Spardebatte ersetzt werden kann. Wo anders als über die von ihm gewählten parlamentarischen Vertreter kann der Bürger noch Einfluß nehmen. So schnell, wie der Senat offenbar seinen Haushalt durchbringen will, können die Betroffenen gar nicht reagieren. Aber vielleicht ist das ja gerade der Sinn der Übung. Severin Weiland
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