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■ Unwahrscheinlicher Sieg: Schalke 04 holt den Uefa-CupOpium fürs Volk usw.

Schalke Europapokalsieger. Unglaublich, kaum faßlich. Die Außenseiter aus dem Ruhrgebiet ganz oben. Schalke neben oder gar vor: Liverpool, Monaco, Valencia, Bayern, Mailand, Real Madrid. Europäische Spitzenmannschaft.

Mythen wurden gestern zuhauf beschworen. Mythen vom unerwarteten und schwierigen Aufstieg des kleinen Mannes in den Kreis derer, die den fleißigen, ehrlichen Arbeiter eigentlich verachteten und sicher auch weiter darauf sinnen, wie sie ihn jetzt wieder kleinkriegen können. Mythen, die Gemeinschaft beschwören zwischen den Spielern, die im Studio nach dem Spiel ein selbstgemachtes Lied vortrugen, und den 30.000 im Gelsenkirchener Parkstadion, die ihnen applaudierten. Schalke sollte gestern nicht nur für eine Region, sondern für Deutschland stehen; genauer: für den gebeutelten Teil, der sich in schwieriger Lage nicht aufgibt, für einen Neuanfang irgendwie.

Ein Stellvertretersieg, wird mancher ideologiekritisch grummeln, der wenig an den eher düsteren Zukunftsaussichten der Menschen in der Region ändern wird (selbst wenn nun ein neues Stadion gebaut wird). Eine Lüge der Mächtigen zudem, denn die Zeiten, als Schalke ein armer Verein war, liegen schon ziemlich lange zurück. Ja, und daß kaum einer der Spieler je unter Tage gearbeitet hat, dürfte bekannt sein. Opium fürs Volk also usw.

Mag stimmen, ist so langweilig wie richtig. Allerdings auch grundfalsch. Das Kohlenpottvolk weiß ja, daß es – um in der Metaphorik zu bleiben – Opium gekriegt hat. Und es freut sich dran, und die Euphorie für ein paar Tage, die Verbrüderungen und Verschwisterungen auf den Rängen, in den Straßen, sind echt.

Die fußballästhetische Inszenierung war perfekt, gerade auch weil Schalke spielerisch immer in der stoischen Underdog-Rolle blieb (das beste Bild dafür war die stoische Mimik des ständig gefoulten Latal) und wider alle Wahrscheinlichkeit gewonnen hatte. Man mag einwenden, daß es letztlich auch ein Triumph ausgeklügelter Taktik, also Berechnung war – die Mannschaft hatte sich in der Bundesliga geschont, um im Europacup zu gewinnen, der Trainer hatte seinen Torwart die bevorzugten Ecken der Mailänder Elfmeterschützen auswendig lernen lassen. Doch gerade daß eine solche Rechnung aufgeht, war das denkbar Unwahrscheinlichste, also Schönste. Nächste Woche werden Bochum und Dortmund folgen. Leverkusen wird Meister, Cottbus Pokalsieger; Kohl geht in Pension. Das alles ändert nicht viel, aber tröstet doch sehr. Detlef Kuhlbrodt

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