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Opioid-Krise in den USAPharma-Konzern soll 7,4 Milliarden zahlen

Nach Tausenden Toten wegen Opioiden nimmt ein Gericht sowohl Purdue Pharma als auch die Familie Sackler, der das Unternehmen gehört, in die Pflicht.

Das Schmerzmittel OxyContin hat in den USA viele Pa­ti­en­t*in­nen abhängig gemacht Foto: Toby Talbot/Ap

New York/Berlin AP/taz | Mitglieder der Familie hinter dem Unternehmen Purdue Pharma, das für sein umstrittenes Schmerzmittel OxyContin bekannt ist, haben sich gemeinsam mit dem Konzern zur Zahlung von bis zu 7,4 Milliarden Dollar zur Beilegung von Klagen bereit erklärt. Geklagt hatten 15 Bundesstaaten, Kommunen und Tausende betroffene Einzelpersonen.

Die Mitglieder der Familie Sackler willigten ein, bis zu 6,5 Milliarden Dollar zu zahlen, das Pharmaunternehmen soll 900 Millionen zur Verfügung stellen, wie die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James am Donnerstag bekanntgab. Die Vereinbarung muss noch gerichtlich genehmigt werden. In diesem Zuge werden dann die Details festgelegt, wie Einzelpersonen die Gelder erhalten.

Eine vorherige Einigung, deren Umfang um mehr als eine Milliarde Dollar niedriger als die neue lag, war im vergangenen Jahr vom Obersten Gerichtshof der USA abgelehnt worden – mit dem Argument, dass die Vereinbarung wohlhabende Mitglieder der Sacklers vor Zivilklagen wegen OxyContin schütze, obwohl die Familienmitglieder nicht vom Bankrott betroffen seien. Gemäß der neuen Vereinbarung sind die Mitglieder nur vor Klagen von Parteien geschützt, die der Vereinbarung zugestimmt haben.

Die Vereinbarung ist eine der größten dieser Art im Zusammenhang mit Klagen örtlicher und staatlicher Regierungen, indigener Stämme und anderer Parteien, die Pharmaunternehmen wegen der tödlichen Schmerzmittel-Epidemie zur Verantwortung ziehen wollen. Opioide sind mit Hunderttausenden Todesfällen in den USA in Verbindung gebracht worden. Mitglieder der Familie Sackler sind als Schurken dargestellt worden. Wegen ihrer Rolle bei Purdue Pharma sind ihre Namen von Kunstgalerien und Universitäten weltweit entfernt worden. Sie bestreiten ein Fehlverhalten.

„Wir sind äußerst glücklich, dass eine neue Vereinbarung erzielt worden ist“, teilte das Unternehmen Purdue Pharma mit Sitz im US-Staat Connecticut mit. Lob für das Abkommen gab es von einer Frau aus Michigan, die nach eigenen Angaben nach einer Rückenverletzung vor 23 Jahren von Schmerzmitteln abhängig wurde, nachdem ihr OxyContin verschrieben worden war. „Alles in meinem Leben wird von einem Unternehmen geformt, das Profite über Menschenleben gestellt hat“, sagte Kara T.

Neben James trugen auch die Generalstaatsanwälte der US-Staaten Kalifornien, Colorado, Connecticut, Delaware, Florida, Illinois, Massachusetts, Oregon, Pennsylvania, Tennessee, Texas, Vermont, Virginia und West Virginia zur Einigung bei.

Gemäß der Vereinbarung sollen Mitglieder der Familie Sackler in einem 15-Jahres-Zeitraum die Summe von bis zu 6,5 Milliarden Dollar bereitstellen. Zudem sollen sie ihren Besitz der Firma Purdue aufgeben. Dessen Vorstand soll künftig von Staaten und anderen ernannt werden, die Purdue verklagt haben.

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5 Kommentare

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  • Sehr praktisch. Den Hersteller eines gängigen und guten starken Schmerzmittels für den Missbrauch verantwortlich machen.

    Wer hätte die Opioidkrise verhindern können? Der Hersteller? In dem er in seinen Beipackzettel schreibt, "Hey, du weißt hiermit, dass Ocycodon süchtig machen kann!"

    Vielleicht besser die Zulassungsbehörde, die FDA, in dem sie Regeln schreibt für die Anwendung und Verschreibung.

    Damit hätte man es regulieren können, so wie in Deutschland, wo Oxycodon dem BTM unterliegt. Man hat es nicht oder nicht ausreichend reguliert und lässt nun andere (den Hersteller) den Preis zahlen.

    Meine Großtante ist vor vielen Jahren in USA unter unerträglichen Schmerzen an ihrem Pankreaskarzinom verstorben. Weil sie eben keine Opioide bekam. Und das wird jetzt massenhaft wieder passieren.

    Schön, dass wir in Deutschland leben, wo solche Medikamente nach Spielregeln zugänglich sind.

    • @EIN MANN:

      Sorry, aber Sie sind offensichtlich nicht ausreichend informiert bezüglich der OxyContin / Opioid Epidemie in den USA. Sicherlich ist die FDA hier nicht schuldlos, aber so zu tun als wären die Sacklers hier nicht primär für den imensen Schaden verantwortlich ist schlicht falsch. Kann man sogar bei Wikepedia nachlesen (und an vielen anderen Stellen auch von NYT bis Der Spiegel).

      • @Ylva Löhneysen:

        Ich zitiere dann mal aus Wikipedia: "Der Hauptbestandteil von Oxycontin, der Wirkstoff Oxycodon, ist seit 1929 in Deutschland nur auf Betäubungsmittelrezept erhältlich."

        Man hat es in USA eben genau nicht oder nicht ausreichend reguliert und sich damit den Ärger und die Süchtigen eingehandelt. Warum? Weil laut Wikipedia wohl ein korrupter Kerl die Zulassung erteilte und das von seinen Nachfolgern nie hinterfragt wurde. Weil die möglicherweise genauso korrupt waren und/oder durch "Lobbyarbeit und aggressives Marketing" sich nicht bemüßigt sahen, etwas zu unternehmen.

        Und wenn amerikanische Ärzte so blöde sind, dass sie Opiate wie Gummibärchen verschreiben, weil sie mal von Sackler zum Essen eingeladen wurden, na da fällt mir nix mehr zu ein. Dass man mit Opiaten (und vielen anderen Arzneimitteln) höllisch vorsichtig umgehen muss, das hab ich schon im Studium gelernt. Und daran haben auch diverse Essenseinladungen seitens der Pharma nichts geändert. Auch nicht, als es die noch gab.

        Immer stehen vor einer Verordnung die Fragen, wofür? geht es auch ohne? was kann wie häufig mit oder ohne passieren?

  • Das wäre bei uns absolut undenkbar.



    U-N-D-E-N-K-B-A-R

    Ich denke da z.B. an Grünenthal [Contergan]. Da ist ja der Staat auf den Kosten sitzen geblieben und die Geschädigten sind minimalinvasiv entschädigt worden.

    Oh, da fällt mir auch gleich Boehringer in Hamburg ein [Dioxin und diverse Umweltgifte] .

    Naja, hier ist hier und dort ist dort.



    Jede(r) hat halt sein Bündel selbst zu tragen.

    • @Bolzkopf:

      1971 hat Grünethal 110 Millionen Mark und ab 2008 noch einmal 50 Milionen € in eine Stiftung gezahlt.

      In den USA gab es leider hundertausende Todesfälle wegen Oxi Contin. In Deutschland lag die Zahl der Bertroffenen bei Contergan leider bei 7500. Daher unterscheiden sich wohl die Gesamtsummen.