Opfer der „Colonia Dignidad“ in Chile: Bundestag fordert Entschädigung
In einem fraktionsübergreifenden Antrag verlangen die Abgeordneten von der Bundesregierung ein Entschädigungskonzept.
Bis zum 30. Juni nächsten Jahres soll die Regierung ein Konzept für konkrete Hilfeleistungen vorlegen. „Wir sind unserer Verantwortung bisher nicht gerecht geworden“, sagte Renate Künast (Grüne), Vorsitzende des Rechtsausschusses und eine der Initiatoren des Antrags.
In der vom deutschen Laienprediger Paul Schäfer 1961 gegründeten „Kolonie der Würde“ wurden schwere Menschenrechtsverbrechen begangen. Während der Pinochet-Diktatur (1973-1990) diente die Siedlung als Folterlager für politische Gefangene. Die Bewohner wurden schwer misshandelt und zur Zwangsarbeit verpflichtet. Kinder wurden missbraucht. Jahrzehntelang blieben die Verbrechen weitgehend unentdeckt, auch weil deutsche Diplomaten wegschauten.
Nun fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, bei der umfassenden Aufklärung der Geschehnisse eng mit der chilenischen Regierung zusammenzuarbeiten. Eine gemeinsame Expertenkommission soll konkrete Vorschläge erarbeiten. Die Errichtung einer Begegnungs- und Gedenkstätte soll geprüft werden, ebenso die Einrichtung eines Hilfsfonds für die Opfer.
Die Bundesregierung müsse auch die strafrechtlichen Ermittlungen vorantreiben, forderte Christian Flisek, Bundestagsabgeordneter der SPD-Fraktion. In Deutschland ist bisher noch kein Täter zur Rechenschaft gezogen worden. „Deutschland trägt eine politische Mitverantwortung“, sagte der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand (CDU). Überlebende der Kolonie waren bei der Debatte im Bundestag zu Gast.
Eine Delegation des Rechtsausschusses unter der Leitung von Künast hatte die ehemalige Sektensiedlung im vergangenen Jahr besucht. Die Grünen-Politikerin legte daraufhin einen Antrag vor, der von den Abgeordneten der Grünen und der Linken unterstützt wurde. Später kam ein fraktionsübergreifender Antrag von CDU/CSU, SPD und Grünen zustande, der nun beschlossen wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann