„Opfer-Abo“ ist Unwort des Jahres 2012: Ein Wort für Sexisten
Jörg Kachelmann hat mit „Opfer-Abo“ ein Wort erfunden, das Frauenquote und Gleichberechtigung als das Gejammer begrenzter Feministinnen abtut.
Ein verbaler Kraftmeier war der „Wettertainer“ Jörg Kachelmann ja schon immer. „Opfer-Abo“ könnte aber sein berühmtestes Zitat werden, denn eine unabhängige Jury wählte den Begriff nun zum Unwort des Jahres 2012.
Der ehemalige Wettermoderator hatte nach seinem Vergewaltigungsprozess davon gesprochen, dass Frauen sich als Opfer inszenieren, von der Gesellschaft als solche angesehen und daher von Schuld freigesprochen werden würden. Seine Frau Miriam sprang ihm noch mit der „Opferindustrie“ bei, die aufhören müsse.
Die Sprachwissenschaftler kritisierten, der Begriff stelle Frauen pauschal unter Verdacht, sexuelle Gewalt zu erfinden und selbst Täterinnen zu sein. Ein „Opfer“ ist in der Jugendsprache eine schwache, dumme oder unterlegene Person, die an ihrer schlechten Behandlung selber Schuld ist. Ursprung ist das mittelniederdeutsche „opperen“ aus dem 8. Jahrhundert, was aus dem kirchenlateinischen „operari“ (Gott etwas darbringen, Almosen spenden) entlehnt wurde und mit „operieren“ (arbeiten, beschäftigt sein) verwandt ist, das ebenfalls aus dem Lateinischen stammt.
Abo ist die Kurzform von „Abonnement“ (durch Vorausbestellung gesichertes Anrecht), das im 18. Jahrhundert aus dem gleichlautenden französischen Wort entlehnt wurde. Wurzeln sind das altfranzösische „abonner“ (begrenzen) und „bonne“ (Grenze).
Kachelmann hat allen Sexisten ein Wort geschenkt, mit dem Frauenquote und Gleichberechtigung als das Gejammer begrenzter Feministinnen abgetan werden können. Ein Abo zu haben unterstellt zudem, das man sich dieses „Anrecht“ bewusst erarbeitet hat und danach operiert. Wie gefährlich diese Haltung sein kann, konnte man in Indien sehen, wo sich nach dem Vergewaltigungsskandal Stimmen meldeten, das Opfer sei ja selbst Schuld gewesen. Das ist jedoch ebenso absurd wie ein „Täter-Abo“ für Männer.
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