Open access und Lizenzverträge: Missbrauch der Marktmacht
Unis und Forschungsinstitute liegen mit Elsevier, einem Wissenschaftsverlag, im heftigen Clinch. Es geht auch um freien Zugang zu Publikationen.
„Seit Januar 2017 stehen an der Universität Göttingen keine Volltexte von Zeitschriften des Elsevier-Verlags mehr zur Verfügung“, meldet die Uni-Bibliothek auf ihrer Webseite. In Göttingen gilt die Sperre für 440 Zeitschriften. Speziell aus den Wirtschaftswissenschaften sei „der Zugang zu sämtlichen Volltexten entfallen“.
Gleiche Beschränkungen gelten für weitere rund 60 deutsche Wissenschaftseinrichtungen, die sich unter Führung der Hochschulrektorenkonferenz im Interessenverbund „DEAL – Bundesweite Lizenzierung von Angeboten großer Wissenschaftsverlage“ zusammengeschlossen haben. „Trotz unserer nachdrücklichen Forderungen nach einer Kulanzregelung hat Elsevier offenbar bei einigen Einrichtungen die Zugänge zum 1. Januar 2017 ganz oder teilweise abgeschaltet“, erklärt DEAL-Sprecherin Wiebke Beckmann in einer Internetmitteilung. Die Verhandlungen mit Elsevier würden aber fortgesetzt.
Der Verlag ist formal im Recht, weil die Mitglieder des DEAL-Konsortiums – Universitäten, Fachhochschulen, außeruniversitäre Forschungsinstitute und Regionalbibliotheken – ihre individuellen Lizenzverträge zum Ende 2016 gekündigt hatten. Das sollte den Druck auf Elsevier erhöhen, einem bundeseinheitlichem Lizenzvertrag zuzustimmen, mit dem auch der bislang ungebremsten Kostenexplosion bei der Wissenschaftsliteratur ein Riegel vorgeschoben werden sollte.
„Wir wollen fairere Konditionen für den Literaturerwerb“, sagte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenez (HRK), Horst Hippler, im Sommer zum Start der Verhandlungen mit Elsevier. Mit zwei weiteren großen Wissenschaftsverlagen – Springer Nature und Wiley – sollen in 2017 erste Sondierungsgespräche geführt werden.
Die Preise steigen
„Die fortschreitende Konzentration der großen, international agierenden Wissenschaftsverlage hat die Marktmacht der Anbieter weiter gestärkt und die Preise dramatisch steigen lassen“, begründet DEAL den Handlungsdruck auf Bibliotheksseite. Auch sollen die neuen Verträge eine „Open-Access-Komponente“ enthalten. Mit ihr sollen die von den Wissenschaftseinrichtungen getragenen Kosten für diese frei zugänglichen Veröffentlichungen berücksichtigt werden.
Open Access (freier Zugang) ist zudem eine breite Bewegung in der wissenschaftlichen Welt, die die Publikation von Forschungsberichten jenseits der großen Verlage in eigener Regie anstrebt. Das Problem: Die Verlage besitzen die Journale mit dem höchsten Renommee, die für eine wissenschaftliche Karriere entscheidend sind.
Die Verhandlungen führten dann Anfang Dezember in die Sackgasse. Das von Elsevier vorgelegte Angebot war für die deutsche Wissenschaft nicht akzeptabel. Es entspreche, äußerte sich die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen, „nicht den Prinzipien von Open Access und einer fairen Preisgestaltung“. Obwohl der Verlag eine Umsatzrendite von 40 Prozent erziele, setze er „weiter auf Preissteigerungen jenseits der bislang bezahlten Lizenzsummen“, zeigte sich die deutsche Wissenschaftsspitze konsterniert. „Elsevier versucht damit, seine marktbeherrschende Stellung zu nutzen und droht allen Wissenschaftseinrichtungen, deren Verträge Ende 2016 auslaufen, mit einem Abschalten aller Zugänge“, empörte sich damals HRK-Präsident Hippler. So ist es dann auch gekommen.
Wie das Tauziehen um die wissenschaftliche Literaturversorgung in Deutschland weitergeht, ist derzeit offen. Die Fronten sind verhärtet. In Großbritannien, wo Elsevier bei einem vergleichbaren Konflikt seine Bedingungen durchsetzte, wollen die Vertreter der Wissenschaft aber nun eine kartellrechtliche Beschwerde wegen des „Missbrauchs von Marktmacht“ einbringen.
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