Open-Air-Kultur in Berlin: Ganz weit draußen spielt die Musik
Nach langer Anlaufzeit startet im August das Vorzeigeprojekt, dass mehr Kulturveranstaltungen und Parties im Freien ermöglichen soll.
Berlin taz | Drinnen flop, draußen top – so lautet stark vereinfacht eine Erkenntnis dieser Pandemie. Folgerichtig also, dass der Senat im vergangen Jahr beschloss, Berlins Kulturleben einfach nach draußen zu verlagern. „Draußenstadt“ heißt das aus dieser Idee entstandene Programm des Senats, unbürokratisch Freiflächen bereitzustellen, die dann von Kulturschaffenden und Partykollektiven bespielt werden können. Nun ist der Sommer da, der Bedarf nach Kultur und Party ist hoch. Was ist aus dem Programm geworden?
„Ab Anfang August werden erste Veranstaltungen stattfinden“, kündigt Daniel Bartsch, Sprecher der Senatsverwaltung für Kultur, gegenüber der taz an. Insgesamt konnten 13 Flächen gefunden werden, die bis zum Ende des Jahres bespielt werden können. Darunter sind Parkplätze, Industriebrachen und andere Freiflächen. Auf 9 der Flächen können auch laute Veranstaltungen, wie Partys und Konzerte stattfinden. Die Flächen sind mit Strom, Wasser und Sanitäranlagen ausgerichtet.
Auf eine Möglichkeit, die Flächen zu bespielen, haben sich zahlreiche Veranstalter:innen beworben. Eine Jury wird am 22. Juli bekannt geben, welche Veranstaltungen eine Zusage bekommen. „Wir rechnen damit, dass etwa 50 Projekte realisiert werden können“, vermutet Bartsch.
Dabei wurde schon im September vergangen Jahres 7 Millionen Euro vom Senat für das Projekt bewilligt, eine Umsetzung scheiterte zunächst an der dritten Coronawelle. Aber nicht nur Corona, auch die Zusammenarbeit mit den Bezirken gestaltete sich schwierig. „Offenbar wird Draußen-Kultur da als Störung oder Zumutung gesehen“, ließ Kultursenator Klaus Lederer noch Anfang Juni in einem Tagesspiegel-Interview durchblicken.
Kein Heilmittel gegen Park-Parties
Ob mit der Draußenstadt die unregulierte Feierei in den Parks endet, ist unwahrscheinlich. „Das Programm ist keine Antwort auf die illegalen Raves“, so Bartsch, vielmehr ginge es darum, der gesamten Kulturbranche wieder Angebote zu ermöglichen. Pro Wochenende solle es zwei bis drei Open-Air-Partys auf den Flächen geben, erklärt Johannes Grüss von der Clubcommission, die ebenfalls an der Organisation der Draußenstadt beteiligt ist. Zum Vergleich: In vor-pandemischen Zeiten fanden in Berlin jedes Wochenende geschätzt rund 30 unangemeldete Open-Air-Partys statt – und das mit geöffneten Klubs.
Ein weiteres Fragezeichen bleibt die Akzeptanz der Bezirke. Seit Ende Juni gibt es schon kleinere Partys auf den Flächen, die Erfahrung stimmt Grüss optimistisch: „Es hat keine Beschwerden gegeben, die Nachbarn waren alle zufrieden.“
Schlechtere Erfahrungen haben die Betreiber:innen der Open-Air-Fläche Haselhorst 13, kurz H13, die ebenfalls seit zwei Wochen offizielle und legale Veranstaltungen auf einer Brache in Spandau organisieren. Das Projekt ist zwar offiziell kein Teil der Draußenstadt, verfolgt aber ein ähnliches Konzept. Ein Verein betreibt die landeseigene Fläche und bietet sie unterschiedlichen Partykollektiven als Veranstaltungsort an.
Die Veranstaltungen seien zwar grandios gewesen, aber trotz Genehmigung und korrekt eingepegelter Soundanlagen forderte die Polizei immer wieder, die Musik leiser zu drehen, berichtet Gerrit Glapiak vom Betreiberverein „Neue Urbane Welten“. Zeitweise habe der Bezirk darauf bestanden, einen externen Lärmschutzprüfer zu engagieren. Kostenpunkt: 5.000 € pro Wochenende. „Wir sind dem Bezirk ein Dorn im Auge“, vermutet Glapiak. Glapiak wirkt im Gespräch erschöpft. Damit das Modellprojekt ein Erfolg wird, müsse es „politisch auch gewollt sein“.
Leser*innenkommentare
17900 (Profil gelöscht)
Gast
Wieso finden keine open-air Konzerte auf dem Zentralen Festplatz im Wedding, nahe Tegeler Flughafen, statt?