Onlinewahrnehmung von Parteien: Im Netz sind alle gleich
Das Internet ist nicht das Terrain der linken Parteien, zeigt eine Studie. Die Macher sind überrascht, räumen aber methodische Probleme ein.
BERLIN taz | Parteien werden im Internet relativ gleichmäßig bewertet. Wissenschaftler der Universitäten in München und Münster haben im Auftrag des Vodafone Instituts über dreieinhalb Monate hinweg untersucht, wie sich die politische Debatte und der Wahlkampf im Netz entwickeln. Dafür haben sie eine Million Tweets und 1700 Blogbeiträge analysiert.
Am Dienstag präsentierten sie in Berlin die bisherigen Ergebnisse ihrer Studie „Die Vermessung der digitalen Debatte: Wie tickt das Netz im Bundestagswahlkampf?“
Demzufolge sind Präsenz und Bewertung der Parteien im Netz ausgewogen. So werden die Grünen in 15 Prozent aller relevanten Tweets genannt, die SPD in 19 Prozent und die CDU in 21.
Entrüstete Massenproteste im Netz, so genannte Shitstorms, führen entgegen der Erwartungen nicht zu besonders negativen Bewertungen der Betroffenen. Auch qualitativ sind die Ergebnisse bei fast allen Parteien ähnlich. Jeweils etwas mehr als 50 Prozent der Tweets bewerten die Parteien und Politiker positiv.
Nur die Piraten fallen aus dem Muster und zeigen, dass Twitter vor allem ihr Terrain ist. Um sie geht es in 28 Prozent der relevanten Tweets. Etwa 70 Prozent davon sind positiv. Bei der Untersuchung politischer Blogs landen sie jedoch auf dem letzten Platz. Studienleiter Christoph Neuberger erklärt sich das damit, dass Blogs eines der ältesten Social Media Formate sind. Dort sind die meisten Parteien schon lange etabliert. Die Piraten hingegen beherrschen die neuen Medien wie Twitter.
Neuberger ist von dem Ergebnis positiv überrascht: „Das Internet ist ein unregulierter Raum ohne die Gatekeeper, die wir in klassischen Medien haben. Deswegen sehe ich die Ausgewogenheit eher positiv“, sagt er. Mit „Gatekeepern“ meint er etwa Journalisten, da diese sich an bestimmte Regeln und Konventionen in der Berichterstattung halten. Das Ergebnis der Studie sei aber „kein verkleinertes Abbild der Stimmungslage in der Wählerschaft“, erklärt er.
Ironie wird nicht erfasst
In der Studie wurde erfasst, wie oft Parteien und Politiker auf Twitter und in ausgewählten Blogs genannt werden. Mit einer so genannten Sentimentanalyse wurde auch die Wertung dieser Nennungen gemessen. Indikator hierfür war die Verwendung von positiv oder negativ besetzten Wörtern. Ein Problem dieser Methode ist, dass sie Sarkasmus und Ironie nicht automatisch erkennt. „Ein ironischer Tweet wie 'Super gemacht, Merkel' wird dann als positiv registriert“, erklärt Mitautor Stefan Stieglitz.
Vor allem bei der Analyse politischer Blogs hatten die Wissenschaftler methodische Probleme. Auf Twitter konnten sie auf die Gesamtheit der veröffentlichten Tweets zugreifen. Deren Inhalt ist zudem durch die Kürze der Nachrichten sehr konzentriert. Dass ein „gut“ sich dann auch tatsächlich auf die genannte Partei bezieht, ist wahrscheinlich.
Anders ist das bei Blogs. Es gibt kein Gesamtverzeichnis, außerdem sind die Texte viel länger und komplexer. Für die Studie haben Neuberger und Stieglitz sich deswegen auf die Überschriften ausgewählter Blogs beschränkt. „Dadurch ist die Fallzahl bei den Blogs sehr gering“, sagt Neuberger.
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