Onlinewahlkampf der Linkspartei: Puristische Bauklötzchen
Innovativ, klassisch oder peinlich? Wir analysieren, wie sich die Parteien während des Wahlkampfes im Netz schlagen. Dieses Mal: die Linkspartei.
Der Klassiker - die Parteiseite
Die Parteiseite der Linken erinnert an ein Nachrichtenportal. Die aktuellsten Beiträge mit Überschrift, Bild und Teaser-Text stehen ganz oben, und rutschen im Laufe der Zeit weiter nach unten. Der Hintergrund ist in schlichtem Weiß gehalten. Auch das Layout ist vergleichsweise puristisch. Die Seite ist aus statischen Blöcken zusammengewürfelt und verzichtet auf Spielereien.
Je nach Interesse kann der potentielle Wähler zwischen mehreren Themen wie „Politik“, „Wahlen“ oder„Partei“ wählen. Scrollt man wie die meisten Nutzer mit einer energischen Bewegung des Zeigefingers auf der Startseite herunter, fliegen teils kämpferische Überschriften über den Bildschirm, wie „Drohnen ächten, Rüstungsexporte verbieten, Auslandseinsätze beenden“.
In der rechten Seitenspalte findet sich ein „Spendenbarometer“, das wohl den Spieltrieb der Nutzer in bare Münze umwandeln soll. Klickt man auf das Röhrchen mit den kleinen Strichen und der roten Pegelstandssäule, wird zur Enttäuschung der großen Spielkinder jedoch keine Animation abgefahren. Vielmehr grinst einen der Bundesschatzmeister der Partei, Raju Sharma, an und hält die digitale Hand auf. Schnell zurück auf die Startseite: Hier gibt’s die Buttons, über die man in die Sozialen Netzwerke flüchten kann.
Das Neuland - die Social Media Präsenz
1245 Meter - „Wer bietet mehr“, steht über einem Foto, dass die Partei auf ihrer Facebook-Seite gepostet hat. Zu sehen ist ein Wahlkampfplakat auf einem Aussichtspunkt des Freiburger Hausbergs Schauinsland. Ein Nutzer kommentiert unter dem Bild: „Mir persönlich wäre es lieber, wenn die Prozente in den Wahlprognosen „höher“ wären. Drei Stunden später erscheint die Antwort der Linken: „Heute gerade auf 9 Prozent rauf. Es wird.“
Ein von der Partei geposteter Zeitungsartikel über einen Flaschensammler erregt die Gemüter der Nutzer besonders. Auf dem Foto ist auch ein winziger Ausdruck eines der Wahlkampfplakate mit dem Slogan: „Statt Flaschen sammeln: 1.050 Euro Mindestrente“. Im Laufe von 24 Stunden kommen unter dem Artikel weit mehr als hundert Kommentare zusammen.
Bei den ersten Kommentaren diskutiert die Linke mit ihrem offiziellen Account noch mit, überlässt das Forum dann jedoch den Nutzern. Mehr als 1.600 Nutzer klicken auf „Gefällt mir“, über 650 teilen den Artikel mit ihren Facebook-Freunden. Scrollt man auf der Seite weiter nah unten, fliegen rote Flaggen vorbei, manchmal sind sie regenbogenfarben. Auf der Seite finden sich auch Demo-Aufrufe.
Laut dem Blog Hamburger Wahlbeobachter sind 86,7 Prozent der Linken, die in einem Parlament sitzen, bei Facebook aktiv. Das sind deutlich mehr als bei den Volksparteien. Bei Grünen und FDP sind es 89 Prozent.
Auf Twitter setzt die Linke täglich dutzende Tweets ab. 15.700 Menschen folgen der Partei. Zwei von drei Parlamentariern der Linken sind auf Twitter vertreten. Mehr sind es mit gut 80 Prozent nur bei den Grünen. Bei der CDU sind es mit 39 Prozent am wenigsten. Auch die SPD lässt die Linke auf Twitter hinter sich. Zwar folgen dem sozialdemokratischen Parteivorstand auf Twitter fast 40.000 Nutzer, also deutlich mehr als der Linken. Aber nur jeder zweite SPDler mit einem Parlamentssitz nutzt Twitter.
Die Oberhäupter
Die Linke hat es bei der Präsentation des Spitzenkandidaten schwerer als die anderen Parteien, da sie nicht nur einen Kandidaten präsentieren muss, sondern acht. „Sahra ist eindeutig schöner“, lautet der erste Kommentar unter dem auf Facebook geposteten Wahlkampfplakat von Sahra Wagenknecht, auf dem das Mitglied des Spitzenachters der Linken lächelt.
Direkt daneben ist das Plakat von Gregor Gysi eingestellt, der angespannt wirkt und anklagend mit dem Zeigefinger gestikuliert. Gleich zwei Minuten nach dem Nutzerkommentar folgt die Antwort vom Account der Linken: „Na, darum geht es ja nicht. Und: Über Geschmack kann man bestens streiten ;-).“
Vergleicht man die Facebook-Auftritte der beiden Kandidaten, wirkt der von Gysi wesentlich persönlicher. Manchmal mehrfach am Tag schreibt er Kommentare zu Rentenkassen, Rüstungsfirmen oder knackige Statements wie: „Ein militärischer Angriff auf Syrien wäre eine Katastrophe“. Manchmal übernimmt das einer seiner Mitarbeiter, was sowohl auf Facebook wie auch auf Twitter mit dem Kürzel „(mi)“ gekennzeichnet ist, heißt es aus Gysis Büro.
Wagenknecht verweist hingegen knapp auf Interviews mit ihr oder verlinkt einfach ihre aktuellen Presseerklärungen. Das mache sie grundsätzlich selbst, gelegentlich übernehmen das jedoch auch ihre Mitarbeiter, heißt es aus Wagenknechts Büro. Während sie gänzlich auf ein Coverfoto oben auf ihrer Facebook-Seite verzichtet, hat Gysi hier ein Foto von einer roten Tüte gepostet, die an einem Fahrradlenker zu hängen scheint und die die Aufschrift „Wählen gehen“ trägt.
Dafür wirkt die Internetseite von Wagenknecht, die im gleichen Stil gepflegt wird, seriöser als die von Gysi. Er posiert hier ganz oben auf der Seite in Kumpelpose mit einigen Kindern: „Die jungen Fußballer schnappten sich Gysi ohne Berührungsängste zu einem Gruppenfoto“, heißt es unter dem Foto.
Auf Twitter sind beide aktiv. Gysi erreicht mit seinen Tweets 13.000 Nutzer, die ihm folgen. Bei Wagenknecht sind es 9.000 Menschen. Twitter-Nerds sind die beiden aber nicht. Meist zwitschern sie nur ein- oder zweimal pro Tag.
Die Kleinigkeiten
Gunhild Böth hat keinen Twitter-Account. Die Landessprecherin der Linken in Nordrhein-Westfalen kandidiert für den Bundestag. In einem YouTube-Video erklärt sie, dass sie sich vor allem in der Bildungspolitik engagieren möchte. Gefragt nach ihrem Nachrichtenkonsum, antwortet sie: „Ich versuche mich durch die bergischen Lokalblätter Online zu klicken.“ Das Anfang September hochgeladene Video ist nach zwei Tagen immerhin schon acht Mal angesehen worden. 800 Nutzer hat der Landesverband Hamburg auf Twitter. Aber der letzte Tweet ist Mitte Juni abgesetzt worden – seitdem: Funkstille.
Während also in Sachen Onlinewahlkampf im Bergischen Land und in Hamburg nicht viel los ist, twittern die Mitglieder des Landesverbandes Berlin um so intensiver. „Morgen in der Offline-Welt, schon heute hier online: Unsere neue Großfläche mit #Gysi“, heißt es dort zum Beispiel. „Wie findet ihr sie?“ Ein Nutzer, der sich „Free Chelsea Manning“ nennt, zeigt sich begeistert: „Super! Gibt's die Großflächenplakate im "real-life" mit QR-Code?“ Anstatt diese Anregung für einen Onlinewahlkampf mit den neusten Mitteln aufzunehmen, kommt als Antwort vom Partei-Account nur ein: „Nö“.
Der Peinlichkeitsfaktor
„Brüderle halluziniert. Kann dem mal jemand einen Bocksbeutel bringen“, twittern die Linken während des TV-Dreikampfes zwischen Rainer Brüderle, Jürgen Trittin und Gregor Gysi. „Was ist ein Bocksbeutel“, fragen die Berliner Linken in ihrer getwitterten Antwort. „Frankenwein“, kommt vom Bundesaccount zurück. Dann noch ein Link auf einen Wikipedia-Artikel, der bauchige Weinflaschen. „Aha. Vielen Dank. Wieder was gelernt“, twittern die Berliner artig zurück.
Dafür sieht das Twitter-Profilbild der Bundestagsabgeordneten Petra Pau richtig rotzig aus: Telefonierend rennt die Comic-Figur mit den knallroten Haaren und Shirt durch eine kalte weiße Welt.
Nicht so lustig ist ein Foto auf der Facebook-Seite der Partei. Ein grinsender junger Mann steht da vor einer SPD-Grossfläche, auf der ein gesetzlicher Mindestlohn gefordert wird. Der Mann hält das Linken-Plakat mit der Aufschrift „Genug gelabert! 10 Euro Mindestlohn jetzt“ davor. Auf dem SPD-Plakat sind zwei Menschen mit Besen und Putzwagen zu sehen.
Der Geschäftsführer der Gebäudereiniger-Innung, Johannes Bungart, hatte sich kürzlich über das Plakat aufgeregt. In der Branche gibt es bereits einen gesetzlichen Mindestlohn und das Plakat propagiere altes Schubladendenken von armen und hilfsbedürftigen Reinigungskräften. 1.400 Menschen „liken“ das Foto, es gibt fast 200 Kommentare. Doch keiner weißt auf diesen Umstand hin und damit hauen sie in die gleiche Kerbe wie die SPD.
Der Gesamteindruck
Die Parteiseite im Bauklotzformat könnte ansehnlicher gestaltet werden und auch durch interaktive Elemente für die Nutzer ansprechender gemacht werden. In den Sozialen Netzwerken bemüht sich die Linke redlich, und wird dafür teilweise auch durch einen aktiven Austausch der Nutzer untereinander auf den Profilen der Partei belohnt. Gut gepflegt, aber wenig innovativ – da geht noch mehr.
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