Onlinewahlkampf der AfD: Korrekt unsexy
Innovativ, klassisch oder peinlich? Wir analysieren, wie sich die Parteien während des Europawahlkampfs im Netz schlagen. Dieses Mal: die AfD.
Die Parteiseite
Sauber, aufgeräumt, korrekt – das Bild, das die Alternative für Deutschland von sich vermitteln will, zeigt sich bei einem Blick auf ihre Website. Nicht die schlechteste Idee, schließlich hätte man sich ja auch für altbacken, wirr und unsexy entscheiden können. Na gut, unsexy ist die weiß unterlegte Seite dennoch, aber sonst ist das Bild sehr ordentlich.
Unter einem Menü, das alle relevanten Punkte übersichtlich sortiert, kommt der obligatorische Header mit sich abwechselnden Bildern, die allerdings nicht zu weiterführenden Seiten verlinken. Das ist zwar ungewohnt, verleitet aber dazu, sich nicht sofort in Kleinigkeiten zu verlieren.
Der Europawahlkampf steht dabei im Mittelpunkt. Kandidaten, Argumente, Materialien und Programm sind unmittelbar zu finden. Letzeres hält sogar eine Überraschung parat: Denn das Wahlprogramm gibt es auch auf Englisch. Wen allerdings die Parole „Courage to Stand Up for Germany“ ansprechen soll, wird wohl nur die Partei selbst wissen. Oder gibt es eine Szene der Anti-Britten mit positivem Deutschlandbezug?
Omnipräsent auf der Seite der Professorenpartei sind Spendenaufrufe, die unter dem Stichwort „Geldbombe“ um die Almosen der A13-Gehälter-Bezieher (W1-W3) buhlen. Und es funktioniert: in vier Tagen kamen bei der Aktion über 150.000 Euro zusammen.
Ein Link in der Seitenspalte führt außerdem zum Fanshop der Partei. „Vermissen sie auch die guten alten Glühbirnen?“ wird hier gefragt, um sogleich die Antwort gegen den „EU-Verordnungswahn“ parat zu haben. Als Topseller werden zehn 40W-Glühbirnen für 9,99 Euro feil geboten.
Mit über 105.000 „Gefällt mir“-Angaben bei Facebook läuft die Partei ihren etablierten Konkurrentinnen den Rang ab. Euro-Spitzenkandidat Lucke sieht das als Beweis dafür, dass es sich bei der AfD „eben nicht um eine verstaubte Altherren- und Professorenpartei handelt“. Tatsächlich ist die Partei laut Eigendarstellung eine der jüngsten des Landes, doch mit 50,9 Jahren im Schnitt liegt sie sehr nah am Durchschnittsalter deutscher Hochschullehrer – und auch nur zehn Jahre über dem Durchschnittswert der Facebook-User.
Mit drei bis vier Posts am Tag bewegt man sich in einem erträglichen Rahmen; innovative Ideen fehlen dagegen gänzlich. Eigenwerbung, Zitate, Presseberichte, Terminankündigungen – alles so erwartbar wie einschläfernd.
Die Mär der jugendlichen Partei löst sich beim Blick auf den Twitter-Kanal der AfD dann gänzlich in Luft auf. Beim deutlich jugendlicheren Netzwerk rangiert die AfD mit weniger als 9.000 Followern im Parteienvergleich weit unten – Spitzenreiter sind hier die Piraten mit 125.000 Followern. Tatsächlich liefert die AfD auch keine Grund, wieso man ihren Kanal abonnieren sollte. Der optische Eindruck schreckt ab, die drei Wahlplakte im Header wirken gänzlich verloren. Inhaltlich orientiert man sich an Facebook. Kommunikation mit anderen Twitter-Nutzern: Fehlanzeige.
Spitzenkandidat für die Europawahl ist, wie schon zur Bundestagswahl, Bernd Lucke. Obwohl der Ökonom beim Erfurter Parteitag im März damit gescheitert war, das bisherige Vorstandsmodell mit drei gleichberechtigten Sprechern zugunsten einer von ihm besetzten neunköpfigen Parteiführung umzugestalten („Ermächtigungsgesetz“), ist Lucke dennoch der gefühlte Parteivorsitzende. In der öffentlichen Wahrnehmung ist er neben Hans-Olaf Henkel, der auf Platz zwei kandidiert, das einzige bekannte Gesicht der Partei.
Auf der AfD-Startseite sucht man sein Konterfei aber ebenso vergebens, wie im Wahlkampfspot. Eine eigene Website hat Lucke nicht, auf Facebook existiert lediglich eine Art Fanseite, die in der dritten Person von „dem AfD-Sprecher“ schreibt. Luckes Twitter-Kanal ist seit September vergangenes Jahres tot.
Seinen Wahlkampf betreibt der Sprecher auf die altbackene Weise, mit Auftritten auf Marktplätzen und Wahlplakaten. Einen Punkt in Sachen Kreativität gibt’s dennoch. Weil auch in Luckes Heimatort Winsen Plakate der Partei zerstört wurden, nehmen Mitglieder seiner Familie die 40 noch unbeschädigten Plakate jeden Abend ab und hängen sie am nächsten Morgen wieder auf. Süß.
Die kleinen AfDler der Jungen Alternative versuchen ihre Mutterpartei nach Kräften zu unterstützen. Jugendlich forsch wird auf Facebook gephotoshopt was das Zeug hält. Es werden sexistische Plakate präsentiert, man gibt sich als Law-and-order-Verfechter mit der Neigung zur Selbstjustiz oder als Polizistenfreund im Kampf gegen die Linksextremen. Die kleinen Radaubrüder setzen auf Inhalte und positionieren sich damit am ganz rechten Rand der Gesellschaft. Ganz im Gegenteil zur AfD wird hier nicht verschleiert, woher der Wind weht.
Die AfD als Partei der Jammerlappen: „Ständig werden unsere Veranstaltungen gestört und viele unserer Plakate zerstört“, beklagen sich die Rechten, die ebenfalls wenig zimperlich mit ihren vermeintlichen Gegnern umgehen. Dass die politischen Mitbewerber „offensichtlich keine andere Möglichkeit sehen, sich mit uns und unseren Themen auseinander zu setzen“, wie es die AfD behauptet, ist derweil eine steile These. Bei einem Blick auf ein im Netz weit verbreitetes Bild, kann man sich auch vorstellen, dass einige Engagierte einfach keine Lust darauf haben, sich mit den Wahlkampfhelfern der AfD argumentativ auszutauschen.
Oder wer glaubt, dass mit den beiden Thor-Steinar-tragenden Glatzköpfe, die in Pirna AfD-Plakate befestigen, eine ernsthafte Diskussion möglich wäre?
Die AfD ist bemüht, sich als seriöse Partei zu präsentieren und informiert über die gängigen Kanäle in solider Aufmachung ebenso sachlich wie langweilig. Der Mut zu technischen Spielereien, zu Kommunikation mit den Anhängern, zum Zuspitzen fehlt, vermutlich um Fallstricke zu vermeiden. Denn sowohl einige Parteianhänger als auch der eigene Nachwuchs bieten immer wieder genug Stoff, um das von der Parteiführung gewünschte Image als gemäßigte Intelektuellenpartei zu untergraben. Das zentrale Online-Wahlkampfmotto lautet daher wohl: Wer wenig sagt, sagt wenig falsches.
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