Online-Währung Bitcoin: Ein Mann und sein Goldesel
Wer mit Bitcoins zahlt, hinterlässt kaum Datenspuren. Das Herstellen der Währung kostet Strom, Geld – und Nerven. Zu Besuch bei einem Bitcoin-Miner.
Wenn alles gut läuft, hat Sven Poinart einen Goldesel in seinem Keller. Einen ziemlich modernen, hochversicherten Esel, groß wie ein Kleinwagen, aus dem es zwischendurch grün leuchtet und blau flackert. Unter der Hülle aus grauem Stahl verbergen sich, verbunden durch zahllose Kabel, 15 Rechner, die Tag und Nacht laufen und dabei einen Höllenlärm machen. Poinart schreit etwas in den Lärm, schließt den Schrank ab und deutet auf die Tür.
Sven Poinart ist Bitcoin-Miner. Einer der wenigen, die es noch gibt in Deutschland. Denn das Herstellen der digitalen Währung ist hierzulande zunehmend unattraktiv geworden. Ursache dafür ist vor allem der – im Vergleich zu anderen Ländern – hohe Strompreis. Mining-Rechner sind extrem hochgerüstete Systeme, die einen Haufen Energie verbrauchen. „Wenn der Ertrag geringer ist als die Stromkosten, hat die Hardware nur noch Schrottwert“, sagt Poinart.
In den vergangenen Monaten haben Bitcoins vor allem mit zwielichtigen Nachrichten für Schlagzeilen gesorgt. Da ist der Kurs, der erst in die Höhe schießt und kurz darauf wieder einbricht. Eine Handelsbörse, die plötzlich Insolvenz anmeldet. Bitcoins im Wert von mehreren hundert Millionen Dollar, die einfach verschwunden sind. Der Betreiber einer Webseite, auf der auch Drogen und Waffen gehandelt wurden, wird festgenommen. Das Zahlungsmittel: Bitcoins. In Singapur wird eine Frau tot aufgefunden: die Chefin einer Bitcoin-Börse.
Bis heute ist unklar, wer die Währung eigentlich programmiert hat. Genug Stoff für eine Krimireihe. Und mittendrin eine trotz alldem wachsende Community an Nutzern und ein harter Kern, der sich selbst Mining-Rechner in den Keller stellt. Warum eigentlich?
„Aus Spaß“, sagt Poinart – Jogginghose, Turnschuhe, eckige Brille – und lacht. Vor über einem Jahr hat er sich die Rechnertürme ins Haus gestellt und über einschlägige Foren Mitstreiter gesucht. So teilt man sich den Gewinn, aber auch die Investitionen. Geht etwas schief, ist das Risiko für den Einzelnen geringer.
Denn Mining ist eine knifflige Angelegenheit: Ein hochgerüsteter Rechner löst als Teil des Bitcoin-Netzwerkes Aufgaben. Dafür werden Bitcoins ausgeschüttet. Weil aber die Schwierigkeit der zu lösenden Aufgaben ständig ansteigt, müssen die Rechner immer leistungsfähiger werden – und damit teurer. Wer da nicht mithalten kann, ist schnell raus.
„Ich bin ITler“, erklärt Poinart seine Motivation. Da komme man an solchen Themen nicht vorbei – auch in der Freizeit. Während andere Kanu fahren oder kleine Glasfiguren sammeln, checkt Poinart die aktuellen Kurse der verschiedenen Börsen, das Angebot an neuer Hardware, Nachrichten aus der Community. Und so ein Hobby, das kann eben auch mal was kosten. Zeit. Geld. Nerven. „Solange ich immer noch Geld rauskriege, bin ich zufrieden“, sagt Poinart und nach einer Pause: „Aber das Spiel wird immer teurer.“
Zum Beispiel die Stromkosten. Eine sechsstellige Zahl an Kilowattstunden würden die Rechner jährlich fressen, sagt Poinart. Daher will er im Haus, das er gerade baut, einiges anders machen: Die Abwärme der Technik soll durch einen Wärmetauscher zum Heizen und für Warmwasser genutzt werden. Er verspricht sich davon, seine Heizkosten auf null zu senken.
Der Wert hat sich verfünffacht
Doch die Investitionen bleiben hoch: „In dem Raum stehen derzeit etwa 100.000 US-Dollar“, sagt Poinart. Deshalb die Extraversicherung. Damit das Mining sich trotzdem rechnet, greift Poinart zu einem Trick: Er importiert die Rechner gemeinsam mit anderen Minern direkt von asiatischen Herstellen. So gewinnt er an Geschwindigkeit, kann seine leistungsfähige Hardware schon einsetzen, wenn andere noch mit langsameren Geräten arbeiten.
Schon im Herbst will er die Geräte wieder durch neue ersetzen. Die alten seien so spezialisiert, dass sie für etwas anderes als Mining nicht zu gebrauchen seien. Wo da die Umwelt bleibt? Poinart wiegt den Kopf.
Als Poinart angefangen hat mit dem Mining, kostete eine Bitcoin umgerechnet noch weniger als 100 US-Dollar. Nach diversen Höhenflügen und Abstürzen ist sie mittlerweile über 500 Dollar wert. Ein hochvolatiler Kurs, das weiß auch Poinart. Klar, es handele sich dabei um Risikokapital, aber genau das sei ein Teil des Reizes: „Wenn man in Bitcoins gewinnt, gewinnt man richtig.“ Zwischen 400 und 500 Bitcoins hätten die Geräte bislang gemint, bei dem derzeitigen Kurs sind das bis zu 250.000 US-Dollar. Da bleibt neben Anschaffungs- und Stromkosten tatsächlich noch etwas übrig. Noch.
„Bitcoins sind kein Zahlungsmittel, sondern ein hochspekulatives Finanzinstrument“, sagt Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele. Auch Verbraucherschützer kritisieren, dass Nutzer bei einem Hacker-Angriff oder der Pleite einer Handelsplattform – so geschehen bei Mt. Gox – Geld verlieren können. Für Nutzer, die Bitcoins nicht als Spekulationsobjekt, sondern als Währung sehen, spricht dennoch gerade in Zeiten weitgehender Überwachung ein nicht zu unterschätzendes Argument für Bitcoins: Wer mit ihnen zahlt, hinterlässt deutlich weniger Datenspuren als mit Kreditkarte oder Paypal.
Geben sich Nutzer ein bisschen Mühe, ist selbst mit geheimdienstlichen Mitteln nicht immer herauszufinden, wer hinter einer Zahlung steckt. Das ist nicht nur für illegale Zwecke interessant: Auch wer ein E-Book oder einen Film ersteht, will vielleicht nicht in jedem Fall, dass das Unternehmen oder Geheimdienste über bestimmte Vorlieben Bescheid wissen. Die wachsende Anhängerschaft führt dazu, dass auch Unternehmen zunehmend darüber nachdenken, Bitcoins zu akzeptieren. Etwa die französische Supermarktkette Monoprix, die in Aussicht stellte, dass Kunden ab Jahresende in Bitcoins zahlen können. Oder Ebay, wo derzeit Berichten zufolge über erste Testläufe verhandelt werden soll.
Wie lange Poinart noch beim Mining mitmacht – das weiß er genau. „Wenn es keinen Gewinn mehr gibt und die Hardware sich nicht mehr selbst trägt, würde ich aussteigen.“ Das nächste Spielfeld hat er schon im Visier: Litecoins. Ebenfalls eine digitale Währung, deren Bedingungen gerade etwas an die Anfangszeiten der Bitcoin erinnern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers