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Online-Durchsuchung in BayernO'zapft is!

Radikaler noch als Wolfgang Schäuble: Bei der Einführung der Onlinedurchsuchung ist Bayern schneller als der Bund - und geht viel weiter.

Die Bayernpolizei soll Daten aus privaten Computern nicht nur kopieren, sondern auch verändern und löschen dürfen. Bild: dpa

FREIBURG taz Bayern stellt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in den Schatten. Während über das BKA-Gesetz noch diskutiert wird, will der CSU-dominierte Bayerische Landtag bereits in dieser Woche die Online-Durchsuchung für Landespolizei und Landesverfassungsschutz einführen.

Ende Februar hat das Bundesverfassungsgericht grünes Licht für die heimliche Ausspähung von Computern gegeben. Jetzt werden auf verschiedener Ebene entsprechende Gesetze geplant. Die Öffentlichkeit interessiert sich dabei vor allem für die Änderung des BKA-Gesetzes. Das Bundeskriminalamt soll hier erstmals präventive Befugnisse, inklusive das Recht zur Online-Durchsuchung, erhalten. Das Gesetz soll Ende des Jahres beschlossen werden.

Doch Bayern ist schneller. Schon Donnerstag sollen die Sicherheitsbehörden des Freistaats neue Befugnisse zum heimlichen Zugriff auf private Computer bekommen. Die Pläne von CSU und Landesregierung gehen dabei weit über Schäubles Vorhaben hinaus. So will Bayern seiner Polizei erlauben, auch in Wohnungen einzubrechen, um Spionage-Software auf dem Rechner eines Verdächtigen zu installieren. Das BKA muss Späh-Trojaner via Internet auf verdächtige Rechner bugsieren.

Während das BKA die Onlinedurchsuchung nur zur Abwehr internationaler Terrorgefahren einsetzen darf, gilt diese Beschränkung für die bayerische Landespolizei nicht. Sie kann bei jeder dringenden Gefahr für den Staat sowie Leib, Leben und Freiheit von Personen eingesetzt werden. Die Bayernpolizei soll Daten aus privaten Computern zudem nicht nur kopieren, sondern auch verändern und löschen dürfen.

Neue Befugnisse erhält in Bayern aber nicht nur die Polizei, sondern auch der Verfassungsschutz. Wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt, soll auch der Nachrichtendienst nur eingreifen können, wenn es Anhaltspunkte einer konkrete Gefahr für "überragend wichtige" Rechtsgüter gibt. Die Landesregierung räumt ein, dass dies eigentlich ein Fall für die Polizei ist, doch bekomme der Verfassungsschutz oft Hinweise von Geheimdiensten aus dem Ausland, die er der Polizei aus Gründen des Quellenschutzes nicht weitergeben darf.

Am Freitag will Bayern auch Einfluss auf die Bundespolitik nehmen. Dann wird der Bundesrat über einen Gesetzentwurf des Freistaats abstimmen, mit dem die Onlinedurchsuchung auch in der Strafprozessordnung eingeführt werden soll. Computer könnten dann auch zur Strafverfolgung heimlich ausgeforscht werden. Den Bayern geht es neben Terror auch um Mord, Raub und Kinderpornografie. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) prüft noch, ob sie auch eine Änderung der Strafprozessordnung vorschlägt.

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13 Kommentare

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  • R
    Roland

    Wenn das wirklich so durchgezogen wird, werden einst unbescholtene Bürger entgültig zu Kriminellen erklärt. Der Rechtsgrundsatz unschuldig bis dei Schuld nachgewiesen wird ist nun ein Teil der Geschichte.

     

    Veränderbare Daten die, wie es scheint ihre Gültigkeit vor Gericht beibehalten ermöglichen es dem Polizeistaat Deutschland wieder unbequeme Personen des öffentlichen und privaten Lebens "aus dem Verkehr" zu ziehen.

     

    Ein Rückfall in die Zeiten der Diktatur von vor 70 Jahren steht uns nun wieder bevor.

     

    Krieg ist unvermeidbar. Nicht zwischen Ländern oder Kontinenten, sondern Regierung gegen die eigenen Bürger.

  • M
    markus

    Das ist bedenklich, denn Steuergeld wird benutzt um Steuerzahler auszuspionieren. Ich glaube nicht das die Daten "sicher" sind, sie werden sicherlich weiterverwendet.

     

    Es ist leider so das Politiker keine Ideale mehr besitzen.

  • S
    Steuerspäher?

    Jetzt werde ich gerade ein wenig unruhig, meine Umsatzsteuererklärung habe ich gerade per ELSTER losgeschickt (elektronische Steuererklärung)..

     

    "Das LfSt handelt hier für den Freistaat Bayern in seiner Eigenschaft als bundesweiter Koordinator des Projektes ELSTER der Finanzverwaltungen von Bund und Ländern."

     

    Was bei mir jetzt die Frage aufwirft ob ich mit dieser wohl nicht quelloffenen Software einen potentiellen Trojaner auf der Festplatte mitlesen lasse ?

  • JB
    Joachim B.

    true-lies hat es schon angesprochen.

    Leute die das Eindringen der Agenten erwarten, werden vermutlich ihre eigene Wohnung überwachen um Eindringlinge zu erkennen. Die könnten dann z.B. auch darauf reagieren, indem die Schlapphüte in die Irre führen.

    Zu Simon Peppers Beitrag: Es ist jedem der sich auch nur ein wenig mit den Betriebssystemen von Computern auskennt, völlig klar, dass es kaum schwerer ist ein Programm zu installieren, das nicht nur mitliest sondern auch Daten verändert oder/und von sich aus Deatenverkehr in's Internet aufnimmt. Die Erzeugung von Belastendem Material ist technisch dann kein Problem mehr.

    Leider ist die MissbrauchsGefahr, dass die Polizei mit der "Onlineuntersuchung" ein Mittel erhält, mit dem sie relativ leicht auch Unschuldige belasten könnte, in der Öffentlichkeit kaum bekannt.

    Insofern könnte man dem bayrischen LKA fast schon dankbar sein.

  • T
    true-lies

    Da gibt es nur eines: Mach die Wohnung zur Festung, d.h.: Überwachungskameras mit aut. Aufnahmefunktion (unsichtbar für den /die Täter), Computer durch einen Fachmann Bka sicher machen lassen, einen scharfen Rottweiler (mind. 65 Kg Kampfgewicht) halten, der lautlos abwartet bis die Täter unbefugt in die Wohnung eingedrungen sind und dann zuschlägt!, bei bekannten Personalien gnadenlos im Web veröffentlichen; denn das Internet ist die stärkste Macht der Welt!, Anzeigen lohnt sich nicht da das Gericht, als Staatsorgan sowieso mit Denen unter einer Decke steckt.

    Ansonsten Prost Mahlzeit!

  • SP
    Simon Pepper

    Wie? Die sollen auch Daten verändern/löschen dürfen?

    Nee is klar. Welchen Beweiswert haben die Daten dann überhaupt noch vor Gericht? Stimmt, keinen! Da ja nicht einwandfrei bewiesen werden kann, dass das nicht die Polizei verändert oder dorthin getan hat.

    Stellt euch doch mal vor, die Polizei hätte bei einer Wohnungsdurchsuchung die Befugnis gefundene Dokumente, wie z.B. mein Tagebuch, zu verändern oder Teile davon zu vernichten. Na dann gute Nacht Rechtstaat.

  • M
    mittagspausengucker

    "Die Bayernpolizei soll Daten aus privaten Computern zudem nicht nur kopieren, sondern auch verändern und löschen dürfen."

     

    Geht das dann nach dem Motto: Wenn wir keine Beweise finden, machen wir unsere eigenen?

  • N
    nichtsliegtmehrinunsererhand

    Die komplette Macht/Politik/Wirtschaftselite gehoert entmachtet. Weltweit! Und wer noch glaubt, dass dies mit Wahlen zu erreichen sein wird..der muss wohl den Geschichtsunterricht regelmaessig verpasst haben.

    Und das hat nichts mit Demokratiefeindlichkeit zu tun. Herrschaftsstrukturen gehoeren abgeschafft bzw. muss es fuer das Volk einfacher werden ihre Poltikpfeifen auch gleich wieder feuern zu koennen. So stellen die sich das doch auch mit dem Rest der Arbeitnehmerschaft vor.

     

    Aber das beste ist doch, dass man nur noch ím Web oder im Freien in geschuetzten Raeumen wirklich diskutieren kann ohne befuerchten zu muessen nun ins Ziel des BKA zu geraten.

     

    Man kann es nur nochmal sagen. Nach 45 haetten _alle_ Nazis hinter Gitter gehoert, dann haette die Bundesrepublik vielleicht eine Chance auf eine demokratische Entwicklung gehabt. So wurde eine neue Generation von Schwachsinnigen durch ihre Eltern erzogen. Spitze das nenn ich Vergangenheitsbewaeltigung.

  • M
    Martin

    Verdammt, mir kommt so langsam der Gedanke, daß Osama gewonnen hat. Wegen ein paar Beklopten geben wir unsere Grundrechte auf, unglaublich. Insbesondere, jeder der sich besser mit Computern auskennt als unsere Minister weiß, daß es gerade mal 150 Euro kostet seinen Computer BKA sicher zu machen.

    Mach´s gut liebe Freiheit, war schön mit dir. Demokratie ist wohl doch die Diktatur der Dummheit.

  • K
    Kai

    Genau den Titel hatte ich vor einem halben Jahr selber schon genutzt. Ich dachte schon ich sehe doppelt:

    http://www.prapagonda.de/2008/01/21/ozapft-is-der-lederhosen-trojaner/

  • MB
    Michael Bolz

    Da müssten sich eigentlich alle Bundesländer gemeinsam gegen Bayern stellen - die Politiker, die Bürger. Wenn das nicht geschieht, sollte man - müsste man eh - Deutschland bald verlassen.

    Die Frag ist nur: wohin? Über kurz oder lang ist es nirgends besser.

    Warum lassen wir uns das gefallen?

  • J
    Jan

    "Sie kann bei jeder dringenden Gefahr für den Staat sowie Leib, Leben und FREIHEIT von Personen eingesetzt werden." Freiheit? Ist das so ein bayerischer Witz?

  • AK
    Andreas Kehrwald

    Europameister der Überschrift, mindestens dafür muss man Euch einfach lieben!

     

    Andreas aus München