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Omikron-Ausbruch in NordkoreaNur keine Schwäche zeigen

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Die Isolation hat Nordkorea um Jahre zurückgeworfen. Selbst die grassierende Omikron-Welle führt bei Machthaber Kim nicht zum Umdenken – im Gegenteil.

Kampf gegen „ein sich explosionsartig verbreitendes Fieber“: Desinfektion im Bahnhof von Pjöngjang Foto: kcna/dpa

D er flächendeckende Omikron-Ausbruch in Nordkorea kommt für Kim Jong Un zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Die Wirtschaft des Landes liegt brach, eine katastrophale Missernte droht, und eine baldige Besserung der Lage ist nicht in Sicht. Und dennoch ist die kollektive Volksgesundheit längst nicht das wichtigste Problem in den Augen des Regimes: Vorrangig geht es der Kim-Dynastie um den Selbsterhalt der eigenen Macht. Dem wird alles untergeordnet.

Nur so lässt sich erklären, dass Pjöngjang mehrfach internationale Impfstofflieferungen leichtfertig ausgeschlagen hat. Die Angst, sich vom Ausland abhängig zu machen oder der eigenen Bevölkerung ein vermeintliches Signal der Schwäche auszusenden, wiegt schwerer als der Pandemieschutz.

Die Isolation hat das Land politisch um viele Jahre zurückgeworfen. Es gibt keinen nennenswerten Austausch mehr: Die chinesischen Händler, die neben Elektronik und Markenkleidung stets auch heimlich die neuesten Fernsehserien aus Südkorea ins Land schmuggelten, dürfen nicht mehr die Grenze überqueren. Und auch die NGOs haben keine Vertreter mehr im Land. Selbst westliche Botschaften sind längst abgezogen.

All das hat auch zur Folge, dass wir immer weniger wissen, wie es wirklich um das Wohl der Bevölkerung bestellt ist. Für das Regime hingegen hat die Pandemie schlussendlich einen willkommenen Nebeneffekt: Die Grenzschließungen und Quarantänemaßnahmen haben dazu geführt, dass die Überwachung im Land so engmaschig ist wie lange nicht mehr.

Wenn Kim Jong Un schon nicht seinen Machterhalt durch wirtschaftliche Wohlstandsversprechen legitimieren kann, setzt er nun rein auf Repression und Kontrolle. Zu befürchten hat er trotz seiner miserablen Bilanz wenig: Das eigene Volk wird durch den Sicherheitsapparat eingeschüchtert, und gegen ausländische Interventionen schützt das Atomprogramm als stichfeste Lebensversicherung.

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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1 Kommentar

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  • Ich hätte mir mehr Infos gewünscht, aber an diese kommt man wohl nicht ran.



    Was ich nicht verstehe, warum Nordkorea Impfstofflieferungen ablehnt.



    Es wäre ja ein leichtes diese anzunehmen und dann zu behaupten, man hätte ihn selbst entwickelt und dem Rest der Welt zur Verfügung gestellt. Und der imperialistisch-kapitalistische Aggressor würde schlicht lügen und sagen er hätte den Impfstoff entwickelt.



    Der Bevölkerung wird ja auch erzählt, man würde Nahrungsmittel nach Südkorea liefern, damit die Menschen dort vor dem Hungertod gerettet werden. Und deswegen sei das Lebensmittelangebot im eigenen Land so… sagen wir mal einseitig.