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OlympischesRingen

Olympische Sommerspiele in Deutschland? Das kann man sichin Berlin, Hamburg, München und in der Region Rhein-Ruhr gut vorstellen. Das Rennen zwischen den deutschen Bewerbern läuft, am 26. Oktober gibt es in München einen ersten Bürgerentscheid

XX XXx Segeln auf dem Starnberger See Foto: B. Lindenthaler/imago

Von Andreas Rüttenauer

Man kann es sportlich sehen. Das passt ja zu Olympia. Am Ende kann es nur einen Sieger geben. Für Deutschland ins Rennen gehen München, Berlin, Hamburg und die Region Rhein-Ruhr. Wer gewinnt, hat das Recht, sich beim IOC für die Austragung Olympischer Sommerspiele zu bewerben. Das Internationale Olympische Komitee hat die Spiele 2028 nach Los Angeles vergeben, 2032 wird der Olympiazirkus im australischen Brisbane Station machen. Wie es weitergeht, ist noch offen. Deutschland möchte ins Rennen um die Spiele 2036, 2040 oder 2044 einsteigen. Der unter dem Dach des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) organisierte Sport ist dafür, die Regierungsparteien im Bund haben in ihrem Koalitionsvertrag die Unterstützung einer deutschen Bewerbung zugesagt. Auch die in den Bewerberregionen Regierenden sind im Olympiafieber.

Ob auch die Menschen in den Bewerberstädten vom Olympiavirus infiziert sind, wird am 26. Oktober in München ausgetestet. Da soll die wahlberechtigte Bevölkerung in einem Bürgerentscheid diese Frage mit Ja oder Nein beantworten: „Sind Sie dafür, dass sich die Landeshauptstadt München um Olympische und Paralympische Sommerspiele bewirbt, die entweder im Jahr 2036, 2040 oder 2044 stattfinden?“

Die Wahlunterlagen sind verschickt, und nicht wenige haben sich über das inhaltsarme Werbeblättchen gewundert, das dem Wahlbenachrichtigungsschreiben beilag. Darin wird unverhohlen unter dem München-Befürworterslogan „OlympiJa“ für die Spiele geworben. „Finanzierung aus dem privaten Sektor“, steht da zum Beispiel, ohne dass das weiter erläutert wird. Dann wird schon alles gut sein, sollen sich die Wählenden wohl denken.

Informationen der Olympiagegner liegen dem Wahlbrief nicht bei. So sei das eben bei einem von der Stadt initiierten Ratsbegehren, heißt es aus dem Referat für Bildung und Sport der Stadt. Der unterscheide sich von einem Bürgerbegehren. Eigentlich geht es nur darum, die ausdrückliche Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger für einen bereits erfolgten Beschluss des Stadtrats zu erhalten.

Ob das klappt? Der bei den Grünen in München für Sport zuständige Stadtrat Beppo Brem kann die Stimmung nicht so recht einschätzen. Der Sportfan und nimmermüde Werber für Olympia in München befürchtet, dass die Leute in München des stetigen Wachstums in der Stadt müde sein könnten.

Brem gehörte zum Organisationsteam der European Championships, die 2022 in München stattgefunden haben. Europameisterschaften im Radsport, Turnen, Triathlon, der Leichtathletik, im Rudern, Beachvolleyball und Sportklettern waren zu einem Riesenevent zusammengeschraubt worden. In der Stadt ist das von Konzerten lokaler Bands im Olympiapark begleitete Event wie ein kleines Sommermärchen gefeiert worden und hat umgehend Olympiafantasien befeuert. Die mündeten nun in die Olympiapläne, die im Sommer von Oberbürgermeister Dieter Reiter und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder vorgestellt worden sind.

Mehr als eine Ideensammlung konnte das schnell zusammengeschusterte Konzept nicht sein. Ein Olympiastadion gibt es ja seit den Spielen 1972, eine Olympiahalle auch, im Park gibt es jede Menge Platz für Stahlrohrtribünen, Schwimmen könnte man in der Multifunktionsarena, die vielleicht bei Freising entstehen wird, ein neues Tennisstadion wird gerade mit jeder Menge Steuergeld von Land und Bund gebaut, die Berge sind nicht weit und bieten sich für Radrennen an, und damit alle den schönen Starnberger See mal bestaunen können, könnte man da ja die Freiwasserschwimmer zu Wasser lassen.

Ob das alles beim IOC und den Sportfachverbänden, die ja auch immer ihre ganz eigenen Wünsche haben, durchgehen würde, ist alles andere als gewiss. Die Münchner stimmen also über Spiele ab, von denen heute niemand sagen kann, wie sie genau aussehen würden, was es kosten würde und wie es finanziert werden könnte.

Auch die Pläne der anderen Bewerber sind erst mal nicht viel mehr als Ideensammlungen. Das Wort „nachhaltig“ darf darin natürlich nicht fehlen. Und alle behaupten, dass eigentlich kaum etwas neu gebaut werden muss für das Event. In Hamburg soll zwar ein neues Stadion gebaut werden, aber das fließt nicht in die Olym­pia­rechnung mit ein. Es werde eh ein neues Stadion gebaut, das könne man dann ja zu den Spielen als Leichtathletikarena nutzen, und damit sich der Hamburger SV, für den das Stadion gedacht ist, nicht über die stimmungstötende Laufbahn ärgern muss, könnte die dann ja wieder entfernt werden. In Köln ist gar ein Olympiastadion angedacht, das später zu städtischem Wohnraum umgebaut wird. Das Spielfeld würde dann zur Grünanlage.

Das Zauberwort in allen Bewerbungen lautet „temporär“. Arenen werden nicht für die Zukunft errichtet, sondern nur für die Zeit der Spiele

Das Zauberwort in allen Bewerbungen lautet „temporär“. Arenen werden nicht für die Zukunft errichtet, sondern nur für die Zeit der Spiele. BMX-Artisten sollen vor Stahlrohrtribünen fahren. Beachvolleyballer werden in Einwegstadien vor historischen Kulissen, in München auf der Theresienwiese und Berlin vor dem Brandenburger Tor, auf den Sand geschickt. Temporär soll auch auf Schalke die Arena zum Schwimmstadion werden. Und wenn es sich anbietet, dann weitet sich die Olympiaregion eben. Berlin hat gleich fünf weitere Bundesländer in seine Bewerbung aufgenommen. So soll etwa in Leipzig gefochten werden, am Beetzsee in Brandenburg gerudert und gepaddelt, in Aachen geritten und in Kiel oder Warnemünde gesegelt werden.

Berlin geht deshalb als „Berlin+“ ins Rennen. Die Bewerbung der Region Rhein-Ruhr ist eh flächig angelegt. Vom traditionellen Pferdesportmekka Aachen bis zum Mountainbikerevier in Recklinghausen ist man mit dem Zug knappe zweieinhalb Stunden unterwegs.

Die meisten Sportstätten sollen sich in der Nähe eines zentralen Olympischen Dorfs befinden. Dieses One-Village-Konzept sei vom IOC gewünscht, hat der DOSB den Bewerbern mitgeteilt. Eine ältere Idee des Verbands, sich mit den besten Sportstätten aus ganz Deutschland zu bewerben, ist deshalb schon länger vom Tisch. Nun gibt es also das Rennen der vier Bewerber. Wie es genau entschieden wird, ist ungewiss. Zunächst hieß es, der DOSB wolle die Bewerbungen bewerten und die beste dann als Kandidat beim IOC in den Wettbewerb schicken. Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, die im September 2026 geplant ist, hätten die im DOSB organisierten Fachverbände die ausgewählte Bewerbung dann nur noch durchwinken können.

Vielleicht wird hier bald olympisch gelaufen: Marathonläufer an der Zeche Zollverein in Essen Foto: Jochen Tack/imago

Nun heißt es, die besten Konzepte sollen zur Abstimmung gestellt werden. Es deutet also einiges auf eine Kampfabstimmung hin. Ein teurer Wahlkampf droht. Aus Senatsunterlagen in Hamburg lässt sich ablesen, dass für das laufende und das kommende Jahr mit knapp 18 Millionen Euro Ausgaben für das Bewerberrennen gerechnet wird. Der Bürgerentscheid in München kostet inklusive Werbemaßnahme allein schon 6 Millionen Euro. Sollten die Leute in München mit Ja stimmen, geht das Geldausgeben erst richtig los. In Berlin wird man sich schnell fragen, ob die eingeplanten 6 Millionen Euro Bewerbungskosten reichen werden. Aus NRW gibt es keine genauen Zahlen, aber in einem mit 27 Millionen Euro gefüllten Etatposten, der eigentlich für Sportstättenbau gedacht ist, findet sich auch der Punkt „Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele in Nordrhein-Westfalen“. Wie heißt es noch mal in dem Flyer, der den Wahlbriefen in München beiliegt? „Finanzierung aus dem privaten Sektor.“

Es wird also jede Menge Steuergeld verbrannt, bis feststeht, wer für Deutschland beim IOC ins Rennen geht. Wie die Olympier entscheiden, das weiß auch keiner so ganz genau. Statt Abstimmungen in der Vollversammlung entscheiden nun Fachgremien. Wirklich transparent ist das nicht. Nicht einmal Bewerberbürgermeister Dieter Reiter weiß es: „Ich weiß auch gar nicht, ob es ein Punktesystem gibt oder ob da die Hand gehoben wird. Ich bin überzeugter Demokrat und hoffe, dass es demokratisch zugeht.“

Ob Deutschland wirklich eine Chance hat? Indien soll Interesse an den Spielen haben, auch Katar, Saudi-Arabien sowieso. Es bleibt spannend. Wie es sich gehört im Sport.

Die deutschen Bewerber im Test 48–49

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